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Vorwort zu der tschechischen Fassung des Buches
"Die Deutschen raus" - Der Brünner Todesmarsch.

Der Brünner Todesmarsch 1945


Vorwort von  Prof. Dr. Jan Mlynárik

Professor Mlynariks Worte geben seine innere Bewegung und seine Empfin­dungen wieder zur Vertreibung der Brünner Deutschen Ende Mai 1945, die unter dem Begriff „Brünner Todesmarsch“ in die Geschichte eingegangen ist. Sein leidenschaftlicher Aufruf soll allen Bürgern Europas eine Mahnung sein und sie zum Nachdenken bewegen.

Nur ein Vorwort? Nein, viel mehr. Der Autor bespricht nicht nur das Buch, er schreibt sich auch seine Enttäuschung über das Verhalten seiner Landsleute von der Seele, das er auf einen verbohrten, gnadenlosen und übersteigerten Nationalismus zurückführt. Und er nennt Roß und Reiter, offenbart die Namen der Akteure.

AUDIATUR ET ALTERA PARS
„Und vergib uns unsere Schuld“

Lieber Leser, so Du das Licht liebst, Behaglichkeit und menschliche Toleranz, leg dieses Buch zur Seite. Überlaß es den Aasgeiern, die sich da nähren von Elend und Verderben, als Weide. Wahrlich, das Lesen dieses Buches erfreut niemanden. Es handelt von einer schrecklichen Bilanz menschlichen Versagens. Dazu kam es nicht in kriegerischen Wahnsinnszeiten, sondern in einem Augenblick des Friedens. Nicht im Getöse der Kriegswaffen und der wie Geysire aus der Erde sprudelnden Bomben­einschläge, sondern beim Duft blühenden Flieders. Nicht bei Frost und Matschwetter eines „Häßlichen Mittwochs“, sondern am Feiertag Fronleichnam. Am letzten Mai­tag im Jahre des Herrn 1945 quoll ein heulender menschlicher Strom von Qual, Jammer, Ungewißheit und Schmerz aus Brünn zur österreichischen Grenze. „Wer das nicht selbst durchlebt hat, kann sich solche Qual gar nicht vorstellen. Es war die schrecklichste Fronleichnams-Prozession aller Zeiten“ lautet die Erinnerung einer Gepeinigten. Ja - „ein besonderer Umzug an Fronleichnam. Ein gelähmter jüdischer Junge mußte mit. Als Jude verflucht, als Deutscher verjagt, Haß kennt kein Erbar­men“, lautet eine andere Erinnerung.

Selbst dem Historiker zittert die Hand beim Schreiben dieser Zeilen. Während er Bruchstücke von Schicksalen vernimmt, überfällt ihn eine Sturzflut von Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Bitterkeit brennt dem Historiker in den Fingern beim Wenden der Seiten, auf denen unzählige Tragödien vermerkt sind. Welchen Sinn hat überhaupt das menschliche Dasein? „Ich sah eine junge Frau, die ihren toten Säug­ling in den Armen hielt. Sie bat mich nichts zu verraten, sie wolle ihn wenigstens in Österreich begraben“, hören wir die Botschaft einer Deportierten. Wie soll man hier ein Lichtchen der Hoffnung finden, ein Fünkchen Menschlichkeit herausschlagen? ..Neben uns lag eine Mutter mit fünf kleinen Kindern. Eines Morgens war sie tot, Hungers gestorben. Die Kinder schrieen, das kleinste krabbelte über die Tote. Hinter uns eine tote Greisin, 83jährig, die im Blut und Ausscheidungen lag“, lesen wir von Zeugen. Den Historiker ergreift tiefer Schmerz, wenn er liest: „Am Stadtrande von Pohrlitz sah ich eine Frau mit einem kleinen Kind stehen. Es konnte noch nicht lau­fen. Die Mutter hielt das weinende Kind und redete auf einen Mann mit Gewehr ein. Plötzlich entriß er ihr das Kind und warf es in den Fluß.“ Und wie ein Echo klingt er aus einem anderen Bericht: „Das Baby lag bald in einer Pfütze, wimmerte leise, da es keine Kraft mehr hatte zu weinen.“

Als ob das alles nicht genug wäre. Der Historiker schaut in einen abgrundtiefen Lei­densbrunnen. „Etwa zwanzig Meter von uns eine laute Auseinandersetzung zwischen einer Frau und einem Aufseher. Ein Schuß ertönte. Als wir hinkamen, lag die Frau auf der anderen Straßenseite. Neben ihr bewegte sich ein kleines Köpfchen. Ich hörte das Kind wimmern. Niemand wagte auch nur ein Wort zu sagen.“ Des Hi­storikers Herz zittert bei so viel menschlicher Niedertracht. „Ich sah auf der Wiese eine junge Frau liegen, die eben niedergekommen war. Sie schrie und jammerte, sie und das Kind bekamen aber Schläge und Fußtritte, bis die beiden regungslos liegen­blieben.“ Wohin verschwand die Wärme menschlicher Zuneigung? „Einer Frau zogen sie den Säugling aus dem Kinderwagen und warfen ihn in den Straßengra­ben“.

Willst Du, lieber Leser, weitere Zeugenaussagen aus diesem Todesfuror lesen? Schon genug, befiehlt sich selbst der Historiker.

Es kommen aber die Fragen: Wer sind die, die sich so bitter an die Vertreibung aus der Stadt erinnern, die ihre Vorfahren gemeinsam erbauten, wo sie über Jahrhunderte lebten, ihre eigenen Heimstätten hatten, zu der sie Anhänglichkeit bis zum letzten Augenblick fühlten. Sind das Erinnerungen von Frauen und Greisen, die damals noch Kinder waren? Ätzende, dauerhafte, unvergeßliche Erinnerungen? „Ich war erst zehn Jahre alt, als ich einen Fußtritt bekam, den ich bis heute spüre.“ Erinnerun­gen, die fünfzig Jahre lang registriert blieben. Es sind an die neunzig Zeugen­aussagen Brünner Deutscher, die vier ihrer Landsleute, heute schon im Alter von 71 bis 83 Jahren, vor drei Jahren veröffentlichten. Zur Zeit der Vertreibung allerdings waren sie zwischen 15 und 27 Jahren und hatten offensichtlich ein gutes Gedächtnis. Einige der Erinnerungen, vielleicht ein Zehntel, wurden schon in der zweiten Hälfte der 40er Jahre aufgezeichnet und anfangs der 50er Jahre veröffentlicht. Weitere ka­men in den folgenden Jahrzehnten hinzu, viele stammen aus den 90er Jahren.

Für den Historiker sind Erinnerungen eine narrative Quelle. Sie gehören nicht zu den erstrangigen, nichtsdestoweniger zu den unentbehrlichen Quellen. Der Schmerz, in der Zeit der Tragödie aufgezeichnet, kann verzerrt oder überzogen dargestellt sein, ist aber immerhin von einem Aussagewert, der in keinem der amtlichen Dokumente und Archive erhalten blieb. Die interpretierte Erinnerung in Verbindung mit der Analyse anderer amtlicher wie auch nichtamtlicher Quellen, Chroniken, Kirchenma­trikeln und Aufzeichnungen hilft, das Gesamtbild eines bestimmten geschichtlichen Ereignisses zu bilden. Wenn auch den Hauptinhalt dieses Baches Erinnerungen bil­den, die ein erschütterndes, historisches Ereignis rekonstruieren, so ist es zugleich Zeugnis einer gestörten Auslegung der Geschichte und manchen Versagens der Hi­storiker, die länger als ein halbes Jahrhundert auf der Grundlage der heimischen Archive nicht vermochten, die Geschichte des Brünner Todesmarsches vom Ende Mai 1945 wahrheitsgemäß darzustellen. Dabei hatten sie dazu ausreichend Zeit, Freiraum und eine Menge Material. Bis auf ein paar Artikel, besonders in der histori­schen mährischen Presse, rafften sie sich zu keinem Gesamtbild des Ereignisses auf, das sonst dank seiner Bedeutung und Reichweite Gelegenheit zum Schreiben Dutzender Bücher gegeben hätte. Infolgedessen kommen hier aus anderer, der deutschen Seite, geschichtliche Ereignisse an, die scheinbar auf den Kopf gestellt sind.


Audiatur et altera pars.


Die systematische Schilderung der Tragödie der Brünner und mährischen Deutschen tritt aus den Erinnerungen der Betroffenen zu Tage. Die heimischen Historiker müs­sen auch diese Stimme hören, müssen auch diese Quelle akzeptieren. Den deutschen (Brünner) Autoren ist es allerdings gelungen, auch bisher unbekanntes Archivmateri­al aus der Tätigkeit des Internationalen Roten Kreuzes, aus der Wiener Erzdiözesankanzlei und anderen Archiven, die für die Rekonstruktion historischer Er­eignisse unerläßlich sind, zu finden. Die Brünner Tragödie des Mai 1945 ist in vielen Archiven Europas aufgezeichnet, Widerhall und Umfang reichte tief. Ich ma­che hier besonders auf die Bemerkung der Autoren aufmerksam, daß es unerläßlich ist, die Moskauer, aber auch Kiewer Archive der sowjetischen Sicherheitsdienste KGB und GRU zu exzerpieren, die der Militärarchive der Roten Armee sowie aller anderen Institute, wo Unterlagen gelagert sind, welche aus der Tätigkeit der sowjeti­schen Staats- und Armeepolizei stammen, die die Ereignisse verläßlich beobachtete. Neben den heimischen Tätern nahmen die sowjetische Armee und alle ihre Teil­kräfte an der Austreibung der Brünner und mährischen Deutschen aktiv teil. Deren Tätigkeit muß erfaßt und archiviert werden und es die Pflicht der Historiker diese Quellen zu finden, zu exzerpieren und zu publizieren.

Es entsteht die Frage, warum die heimische Geschichtsschreibung die Brünner Tra­gödie bisher einfach ignorierte oder sie offensichtlich fälschte, ab wertete und nivellierte.
Es vergingen keine drei Jahre seit der Tragödie, und an die Macht gelangten für 40 Jahre die Kommunisten, die Hauptakteure, aber vor allem die Verwirklichet der Austreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. An ihren Händen haftet das Blut tausender unschuldig ermordeter Sudeten- und Karpatendeutscher. Durch ihre Roten Garden (Rudé Gardy) - Raub- und Mordkommandos, die sich für Partisanen ausgaben - leisteten sie die schmutzigste Arbeit beim Morden und Austreiben. Zu solchem Werk bekennt sich doch niemand gern. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSC) ließ sich durch die Austreibung der Deutschen in die Dien­ste des tschechischen Nationalismus spannen, verlor ihren internationalistischen Charakter, vertrieb im Grunde auch die Antifaschisten und hat so Schande auf sich geladen. Es waren ja bei der Gründung der KSC gerade die Sudetendeutschen, neben den slowakischen Madjaren, die treibende und entscheidende dynamische Kraft ihrer Existenz. Und plötzlich verschwanden sie, gingen verloren. In den gesammelten Schriften des Parteiführers Gottwald aus den Jahren 1945 bis 1948 sucht man verge­bens die Wortverbindung „deutscher Antifaschist“!

Dazu gab es überdies auch einen europäischen Zusammenhang: der Hauptakteur und Garant der Austreibung in den internationalen Zusammenhängen war die damalige Sowjetunion und ihr Führer J. V. Stalin, der die Austreibung schon am Ende der Potsdamer Konferenz im August 1945 als ein bestehendes Faktum präsentierte. Sta­lin setzte sich in entscheidendem Maße dafür ein, daß sich zwei weitere Sieger­mächte an einem Verbrechen beteiligten, von dem sie sich später auf verschiedenen Ebenen distanzierten. Mit dem Hinweis, daß die Sowjets auf der internationalen Szene für die Austreibung gutstehen, argumentierten die heimischen Kommunisten ununterbrochen. Das half ihnen maßgeblich - besonders in den tschechischen Ländern - die Wahlen zu gewinnen und sich für die Machtübernahme vorzubereiten.

Dies waren die Hauptmotive, derenthalben das Studium der Austreibung unter der kommunistischen Diktatur ein tabuisiertes Thema blieb. Alles war mit einem einzigen Absatz in den Lehrbüchern, aber auch in den wissenschaftlichen Synthesen, erledigt: Wegen ihrer Unterstützung des deutschen Nazismus wurden sie durch die Entscheidung der Potsdamer Konferenz aus der Tschechoslowakei rechtens ausgetrieben.

An der Gerechtigkeit und Berechtigung der Vertreibung zweifelten die kommunisti­schen Geschichtsausleger nicht. Ihr führender Repräsentant gab nach vielen Jahren zu, daß es um eine „tragische Unvermeidlichkeit“ ging, also eine Notwendigkeit, welche Attribute ihr auch immer gegeben werden. Diesen Standpunkt vertritt auch noch heute ein großer Teil der gemischten Historikerkommission.

Es sind auch die tschechischen Kommunisten, die nach ihrem Krach im Jahre 1989 die allerhärteste Haltung gegenüber Deutschen zeigen. In diesem Sinne wurde auch in ihrem Rudé Právo (Das rote Recht), später Právo (Das Recht) berichtet, und auch in ihren anderen Drucksachen. Von dort erklingen bis heute die allerstärksten Stim­men gegen eine Aussöhnung mit den Vertriebenen, gegen eine gerechte und lin­dernde Entschuldigung für die Verbrechen, die unter der Herrschaft ihrer bolschewi­stischen Vorgänger begangen wurden. Wenn sich in etwas Kontinuität erhalten hat in der verbrecherischen Organisation, wie die KSC zurecht bezeichnet wird, dann eben in der sudetendeutschen Frage und in der Beziehung zu den Deutschen. Sie di­stanzierte sich von der mordenden KSÈ in Sachen der heimischen Opfer, gab aber nie zu, ja stellte die Verbrechen der KSÈ gar nicht in Frage, die diese durch Morde an Sudetendeutschen begangen hatte. Trotzdem werden diese Nachwaisen des Bol­schewismus von etwa zwanzig Prozent der tschechischen Bevölkerung gewählt.

Hauptquelle jenes erwähnten Chauvinismus sind allerdings nicht die tschechischen Kommunisten, sondern die echten tschechischen Patrioten, die sich zu dem Haupt­initiator der Austreibung bekennen, zum Präsidenten der ÈSR, Dr. Edvard Beneš. Es waren Männer aus Beneschs Umgebung, die Nationalsozialisten, die zu Hause im Widerstand, aber vor allem im Ausland die Austreibungsfrage der Deutschen aus der ÈSR aufwarfen und ans Tageslicht brachten. Beneš mit seinem München-Komplex und machtgierigen Größenwahn war ein unermüdlicher Motor der Austreibungsidee; er überzeugte die Mächte der antifaschistischen Koalition von der Unvermeidbarkeit der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Als die westlichen Mäch­te zögerten, wandte er sich an Stalin und schloß mit ihm im Dezember 1943 einen Pakt über die Austreibung. Er versprach ihm dafür die Karpatenukraine und die So­zialisierung der Tschechoslowakei. Bei Verhandlungen mit Molotov sagt er: „Wenn Sie uns helfen, unsere Deutschen auszutreiben, wird deren Besitz die Grundlage der Sozialisierung (der Nationalisierung) der Tschechoslowakei.“ Und das ist die Nabel­schnur der sudetendeutschen Tragödie, schlußendlich auch die aller Bürger der CSR. Beneš verschacherte, um die Realisation seiner genozidalen Pläne zu erreichen, das Schicksal der Republik und ihrer Bürger an Stalin. Genau nach dem Prinzip: Zug um Zug. Sollte das der Moskauer Diktator ablehnen? Selbstverständlich nahm er es mit Freude an. Nach der Vernichtung der Demokratie in der CSR jammerte Beneš: „Er hat mich belogen!“ Hat er nicht, er nahm sich nur seinen Teil des Raubes - bekam das Gebiet der ÈSR, mehr noch, ein reiches und industrialisiertes Land im Herzen Europas. Das war die bedeutendste zwischenstaatliche Folge der verbrecherischen Austreibung der Deutschen für die Tschechoslowakei. Übrigens, die Autoren des Buches weisen daraufhin.

England und die Vereinigten Staaten versprachen zwar formell, die Idee der Aus­siedlung zu unterstützen, aber in ihren Vorstellungen von einer gewaltfreien Deportation Tausender, ja von Millionen Menschen entstanden Zweifel. Sie wußten um die Risiken, die mit einer massenhaften Verletzung des Menschenrechtes auf ein Zuhause und auf eine Heimat verbunden sind. Als sich Beneš die volle Unterstüt­zung in Moskau sicherte, mußte er sich eine Strategie ausdenken, die die zögernden Siegermächte nötigen sollte, seinen Ausrottungsplänen zuzustimmen. Als ausge­zeichneter Stratege des verbrecherischen Planes griff er zum alten diplomatischen Mittel: fait accompli, die Mächte der siegreichen Koalition vor vollendete Tatsachen stellen! Wir lassen beiseite, welche Rolle in diesen Vertreibungsplänen die „Affäre Heydrich“ spielte, die er, gegen die starken Proteste des heimischen Widerstandes, vorantrieb. Danach verblieb es seinen Anhängern, die Bürger des Protektorates auf die Abrechnung mit den Deutschen vorzubereiten. „Verjagt und erschlagt so viel wie möglich von ihnen gleich nach dem Kriegsende!“, dazu rief Beneschs Sekretär, der spätere Justizminister Prokop Drtina, auf. In der Hälfte des Mai 1945 - noch vor der Brünner Tragödie - rief er in der Prager Lucerna auf: „Fangen wir mit dem Austrei­ben der Deutschen gleich an, machen wir von allen Mitteln Gebrauch, zögern wir mit nichts!“ War das die Rede eines verantwortlichen Staatsmannes - oder des Füh­rers einer Verbrecherbande? Ein anderer, General, rief noch von London aus auf: „Wenn der Tag kommt, dann ruft die ganze Nation: Schlagt sie, bringt sie um, schont niemanden!"

Und Beneš? Gerade er sprach am 12. Mai 1945 auf dem Balkon des Brünner Rat­hauses, nicht ganze drei Wochen vor der Tragödie der Brünner Deutschen, die schicksalhaften Worte aus: „Mein Programm ist - und ich verheimliche es nicht - daß wir die deutsche Frage in der Republik hinaus-liquidieren müssen.“ „Diese Nation hörte in diesem Kriege auf, menschlich zu sein, hörte auf, menschlich ertragbar zu sein, und sie erscheint uns nur noch als menschliches Ungeheuer. Diese Nation muß für das alles eine große und strenge Strafe erreichen. (...) Und im Tagungssaal wiederholte er: „Wir haben uns gesagt, daß das deutsche Problem in der Republik endgültig hinausliquidiert werden muß."

Beneš belastete die ganze deutsche Nation, und damit auch die Sudetendeutschen, mit einer Kollektivschuld für Hitler, Nazismus und die Schrecken des Krieges. Er unterschied nicht - in den Deutschen sah er nur ein kompaktes „menschliches Ungeheuer“. Seine Aufrufe zu Liquidierung der Deutschen in der ÈSR wiederholte er einige Tage später in Prag, und - als ob es nicht genug wäre -, auch noch in Tabor. Nach den Greueln des Krieges, die das Verlangen nach Rache und Vergeltung her­vorriefen, wäre es die moralische Pflicht eines demokratischen Staatsmannes gewesen, die Leidenschaften zu dämpfen, Akte wütender Rache des Siegers nicht zuzulassen, zu Ordnung und Gerechtigkeit aufzurufen.

Beneš und seine Leute taten das direkte Gegenteil. Sie appellierten an die niedersten Instinkte des nach Gewalt und Raub verlangenden Pöbels, öffneten Gewalttätern Tore der Verrücktheit und hoben den Morast der menschlichen Gesellschaft auf den Schild ihres Politprogrammes. Einerseits um ihre Machtpositionen im Staate zu er­halten, die von den Kommunisten und Personen des heimischen Widerstandes bedroht war; denn, zurückkehrend aus London hatten sie keine Sicherheit für das, wonach es sie verlangte, sie mußten daher nationale Leidenschaften für sich zu ge­winnen suchen. Andererseits gab es den Hauptplan, verbunden mit der Beibehaltung der Position, durch eine wilde Vertreibung der Deutschen die Mächte der Potsdamer Konferenz vor vollendete Tatsachen zu stellen. Gerade der Brünner Todesmarsch ist in dieser Teufelsmaschinerie der Präzedenzfall für alle nachfolgenden Tragödien, aus denen, wie der Gipfel eines Eisberges, das Aussiger Massaker und die Tragödie der bei Prerau (Pøerov) ermordeten Karpatendeutschen herausragen. Den offiziellen Angaben zufolge gelang es bis zur Potsdamer Konferenz, in wilder Vertreibung eine halbe Million Sudetendeutscher hinter die Grenzen der ÈSR zu bringen. In Wirklich­keit waren es wesentlich mehr.

Die westlichen Staatsmänner, in Potsdam wirklich vor vollendete Tatsachen gestellt, konnten nur noch die wilde Vertreibung stoppen und eine Aussiedlung auf humane Weise anordnen.  feierte seinen Erfolg. Es war für ihn der größte Triumph sei­nes Lebens. Er strahlte, und seine Nation begriff ihn auch so und feierte ihn so. Die von ihm Unterzeichneten Dekrete verdüsterten die tschechische Gesinnung für ein halbes Jahrhundert im voraus.

Nach der kommunistischen Ära wandte sich der Scharfsinn der Historiker Masaryk und auch Beneš zu, den Idealen der ersten Republik. Besonders Beneschs Vermächtnis in Beziehung zu den Deutschen begann in ihren Köpfen herumzugeistern. Billigen konnten sie sein Handeln nicht, denn die Unmenschlichkeit der Austreibung war himmelschreiend; so stellten sie sich tot - mit Ausnahme einiger militanter Chauvinisten, verborgen an einigen Arbeitsstätten der Historiker, jenen Zöglingen des Königs Wenzel, die die tschechischen Politiker aufriefen, die Richtigkeit der Vertreibung anzuerkennen, um die nationalen Interessen zu verteidigen. Weitere übernahmen dann die Leidenschaft des antideutschen, im tschechischen Gemüt woh­nenden Chauvinismus und - um sich nicht die Finger zu verbrennen - unterwarfen sie sich ebenso wie die Politiker der „öffentlichen Meinung“. So kam es dazu, daß die historischen Forschungsstellen der Akademie der Wissenschaften der Tschechi­schen Republik (AV CR) - drei Geschichtsinstitute - das Thema der Vertreibung über ganze zehn Jahre ignorierten. Das Institut der Gegenwartsgeschichte veröffent­lichte während der acht Jahre nach der Wende 150 Titel, von denen nicht ein einziger die Aussiedlung der Deutschen betraf. Keine Monographie, geschweige denn Synthese, keine Edition von Archivquellen, die sich auf die Vertreibung bezie­hen. Nichts! Dabei wurde die Produktion in großem Maße von der deutschen Adenauerstiftung finanziert. Ich halte das für Zynismus. Der Institutsdirektor wolle nicht beschuldigt werden, daß er „des Lied singt, wes Brot er ißt.“ Dabei nahm er jahrelang in der Emigration deutsche Unterstützung in Anspruch. Der Direktor des Geschichtsinstitutes AV CR, der sich als offizieller Historiker dem Normalisierungs­prozeß anpassen mußte, meint, daß die ausgesiedelten Sudetendeutschen eigentlich durch die Vertreibung gewonnen haben, sonst ginge es ihnen nicht so gut! Ich erin­nere deshalb an diese Schande der tschechischen Geschichtsschreibung, weil antideutscher Chauvinismus die historischen Forschungsstellen beherrschte, ausge­hend vom Zentrum der Akademie der Wissenschaften. Ihr Vorsitzender, ein militanter Nationalist, forderte von mir, das Faktum zu belegen, daß Beneš den Aus­druck „ausliquidieren“ (vylikvidovat) im Zusammenhang mit der Vertreibung der Deutschen benutzte. Er behauptete, daß Beneš mit seiner perfekten tschechischen Sprache nie einen solchen Ausdruck benutzen konnte. Ich solle seine Schriften durchblättern. Ich habe ihn auf seine drei historischen Arbeiten verwiesen.

Ist es denn überhaupt möglich, daß der Vorsitzende des höchsten wissenschaftlichen Instituts der Tschechischen Republik von Beneschs Ausrottungsplänen nichts weiß? Oder will er nichts wissen? Wenn er nichts weiß, dann deshalb, weil diese Sache in der tschechischen Geschichtsschreibung fehlt. Wie aber soll dann ein Politiker, ein Minister, ein Abgeordneter, ein Senator - geschweige denn ein einfacher Mensch von der Straße - von der Vertreibung der Deutschen etwas wissen? Es ist, als ob hier der Schicksalskreis geschlossen wäre: das Schweigen der Geschichtswissenschaft liefert dem Nationalbewußtsein keine Fakten über das Versagen und die Verbrechen der Nachkriegszeit. Eine Gesellschaft, die nicht informiert ist, bindet durch ihren Nationalismus den Politikern die Hände, die sich die deutsche Frage wie eine heiße Kartoffel zuwerfen und wechselweise aus der antideutschen Stimmung Nutzen für den Erhalt ihrer Macht ziehen (Klaus, und dann Zeman). Und so breitet sich das Nichtwissen aus. Nebel vor mir, Nebel hinter mir. Irgendwie werden wir uns auch mit dem Genozid-Vermächtnis Beneschs in dieses Europa „Hinein-Schwejken!“

Hoffnungen setze ich in die jüngere Historikergeneration, die nicht durch kommuni­stische Indoktrination und blindmachenden Chauvinismus kontaminiert wurde. Die Historikergeneration, deren Pflicht es schon aus professioneller Sicht gewesen wäre, sich mit der Unterbrechung der Beziehungen der Deutschen und Tschechen von vie­len hundert Jahren zu befassen - ist es doch eines der Hauptthemen der neuzeitlichen Geschichte, und was für eines! - schwieg zu der Tragödie. Sie hinterläßt eine trauri­ge Erinnerung an eine dienende und bedienende Wissenschaft, an die Position von Hofhistorikern, die der Kommunistenmacht - und nach ihrem Fall dem blinden, tschechischen Nationalismus - dienten.

Das Licht der Erkenntnis bei der Suche nach der Wahrheit über die Austreibung der Deutschen zu finden, hindert außer Vorurteilen, fehlendem Interesse an etwas Neu­em und Unwissenheit, auch die Gleichgültigkeit und Voreingenommenheit. Diesem Problem begegne ich seit dreißig Jahren. Zwar nicht von Seiten der Politiker, denen das Vernebeln von Wahrheit nützt, sondern besonders von Historikern. Und gerade dies erfuhr ich am Beispiel der Brünner Tragödie. In meinen Thesen von der Aus­treibung der tschechischen Deutschen aus dem Jahre 1977 (Svìdectví - 1978) gab ich an, daß auch deutsche Kinder vertrieben wurden, die nur deshalb kein Deutsch konnten, weil in der gemischten Ehe tschechisch gesprochen wurde, und daß die Aussiedlung dieser Familien das Prinzip des Schutzes von gemischten Ehen ver­letzte. Ein Historiker, der zu Zeit der Austreibung in Brünn lebte und die Fakten über den Todesmarsch kannte, beschuldigte mich, ich zerrisse amateurhaft den Vor­hang einer ernsten Sache: es sei nichts derartiges passiert. Fünfzehn Jahre vor dem kategorischen Ausspruch jenes Ex-Rektors der Polit-Hochschule des Zentralkomi­tees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (ÜV KSC), veröffentlichte der mährische Historiker Jaroslav Mlýnský eine Studie über die Aussiedlung der Brünner Deutschen in organisierten Transporten im Jahre 1946, deren Zahl 7000 Personen erreichte; es gab wirklich nicht mehr. Von allen Ausgewiesenen stammten etwa 3600 aus gemischten Ehen, von denen 1800 geborene Tschechen waren. Es kam aber zu einer noch drastischeren Rechnung: den Transport mußten alle Brünner(innen) tschechischer Herkunft antreten, die einem (einer) Deutschen verbunden waren - ebenso Verwitwete; und das waren 1639 Personen. Großmütter und -väter büßten an der Neige des Lebens dafür, daß sie sich für einen deutschen Lebenspartner entschieden hatten. Wer kann solche Grausamkeit und Gehässigkeit zu Ende denken? Von allen Brünner Deutschen, die in elf Zuggarnituren über die Grenze gebracht wurden, war die Hälfte (3446) Tschechen! Der Geist des Genozids war in Brünn so stark, daß er noch ein Jahr später, beim „Abschub“ tausender Tsche­chen und ihrer Kinder in Erscheinung trat. Als ich damals mit jenem früheren Rektor polemisierte, wußte ich nicht, daß er ein bezahlter Agent der Staatssicherheit (StB) war. Die Autoren dieses Buches setzen sich auch mit einem Historiker aus der Hälfte der 90er Jahre auseinander, der offensichtlich die Wahrheit über den Todesmarsch durch die Behauptung verfälschte, es sei eigentlich nichts Wichtiges passiert, es ha­be nur drei Erschossene und einige Dutzend an den Folgen der Ruhr Verstorbene gegeben. Interessant ist allerdings die Identität beider Autoren im Theoretischen Marxismus, ihre Wahrheitsfälschung, egal ob in den 70er oder 90er Jahren. Die Mar­xisten, egal ob aus orthodoxer oder eurokommunistischer Richtung, waren niemals fähig, die historische Wahrheit über den Todesmarsch auszusagen. Es ist traurig, daß auch die „demokratischen“ Historiker der Gegenwart ihre Methode übernommen ha­ben; durch ihr Schweigen und ihre Ignoranz sagen sie zu den Problemen der Austreibung nichts aus.

Anderen Historikern, Publizisten und Gesellschaftswissenschaftlern, die als Dissi­denten während der Normalisierung lebhaft im Eigenverlag (Samizdat) über die Vertreibung diskutierten und sie verurteilten, die Wahrheit suchten und fanden, stumpften Trafiken und Staatsposten, die nach dem Fall des Kommunismus auf sie warteten, die Feder und die kritische Sicht ab. Als Institutsleiter, Lehrstuhlinhaber, an wissenschaftlichen Arbeitsplätzen, also an vom Staat gut bezahlten Stellen, erwägten sie, um ihre Stellung nicht zu gefährden, erst gar nicht, die Grenze des antideutschen Chauvinismus, der geteilten Gesellschaft und der offiziellen Politik zu überschreiten. Damals als Dissidenten, als politisch Verbannte, mit ihrer existentiel­len Position in die innere Emigration getrieben, damals kamen sie dem Phänomen Vertreibung näher. Als die Gefährdung verschwand und Vertreibung ihre ethische Spannung verlor, entfernten sie sich kraft ihrer Positionen in der Wissenschaft, im Schulwesen und in der Politik von der Suche nach Wahrheit über die Vertreibung. Sie widerriefen, was sie einmal getan hatten, den Staatspräsidenten mit eingerechnet, distanzierten sich sogar von Erklärungen aus der Hälfte der 90er Jahre, die auf An­näherung an die Deutschen zielten, nur um ihre politischen Positionen für die Zukunft nicht zu gefährden und sich euch weiterhin an der Macht zu halten. So wur­de, laut der Historikerin Eva Hahn, die tschechische Öffentlichkeit um die Möglich­keit gebracht, über den Abschub und die Sudetendeutschen politisch unabhängig zu diskutieren. „Das war der Preis, den die Intellektuellen der heute älteren Generation für die Macht bezahlten. Wenn es ihnen gelungen wäre, den intellektuellen Nonkon­formismus zu unterstützen, anstatt ihn abzuwürgen, hätten sie wenigstens einmal (auf die alten Tage) ihre politischen und diplomatischen Erfolge um eine weitere Di­mension bereichern können. Sie hätten den kommenden tschechischen Generationen helfen können, den psychologisierenden Narzißmus zu überwinden und selbstbe­wußte Partner deutscher Politiker, Journalisten und Historiker zu werden, sowohl in Debatten über die Unmenschlichkeit der Vertreibung, als auch über das kultur­historische Umfeld der sudetendeutschen Organisationen.“ (Lidové noviny [Volks­zeitung], 21. 12. 2000). Es kam die Zeit des Schweigens - über die heißen Probleme der Nationalgeschichte, die Vertreibung eingeschlossen, wird nicht diskutiert, und so wird die Wahrheit nicht einmal gesucht. Dieses Schweigen ist einer Kulturnation un­würdig und es ist eine Katastrophe für die Gesellschaftswissenschaften und insbe­sondere für die Geschichtsschreibung. An all das haben uns die Autoren des vorlie­genden Buches über die Brünner Tragödie erinnert.

Beim Versuch, die Verursacher der Brünner Tragödie zu identifizieren, unterschei­den die Autoren zwischen „Schreibtischtätern“, also den Initiatoren, den Aufrufern zur Vertreibung, und den Vollzugsorganen, die die Vertreibung tatsächlich durch­führten. Die Autoren geben an, wer als erster Brünn besuchte und zum „Hinaus­liquidieren“ aufrief, wer nach ihm und wer schließlich von den Höchstgestellten die Anweisungen gab. Aus der Sicht des Machiavellismus eine interessante Sentenz.

Es geht aus ihr hervor, (wie auch aus dem ganzen Inhalt des Buches), daß die Brün­ner Deutschen (wie im größeren Maßstab auch die Sudetendeutschen) Gegenstand politischer Machtkämpfe zwischen den Hauptakteuren der Tragödie - Beneš und Gottwald - wurden. Was dann in den Jahren 1945 bis 1948 für den ganzen Staat galt, fing im Brünner Mikrokosmos an. Erinnern wir uns an die Zeitabfolge: Erst kommt Beneš mit einer grundsätzlichen Erklärung zur endgültigen Lösung der deut­schen Frage durch „Hinausliquidieren“ (lies: Vertreibung) der Deutschen. Es war nichts anderes als eine Kopie der nazistischen „Endlösung“, dort der Judenfrage.
„Endgültig hinausliquidieren!“ - Endlösung!

Einige Tage nach Beneš kommt Gottwald nach Brünn, der schon damals die Ober­hand in den Machtorganen des Staates hatte. Der ihm unterstellte Genosse, Innen­minister Vaclav Nosek, hielt die Zügel der Roten Garden (RG), der Partisanenein­heiten, der staatlichen Machtorgane, Polizei und Gendarmerie. Und eben zu Nosek führen die Fäden der Brünner Tragödie. Im Prager Hotel Alcron weist er am 30. Mai den Vorsitzenden des Landes-Nationalausschusses in Brünn (der Nationalen Sicher­heitswache) an, „die Deutschen in Arbeits-Konzentrationslagern zu internieren“, was als „Hinausführung“ der Deutschen aus Brünn aufgefaßt wurde. Durch weitere Richtlinien des Innenministeriums (Telegramme) verfügt er die Fortsetzung des To­desmarsches aus Brünn und, die „evakuierten Personen“ zu versprengen. Die Brün­ner Ortsfunktionäre konnten sich eine Aktion solcher Tragweite nicht ausdenken, obwohl Sadisten vom Typus des Stabskapitäns Pokorny sie gerne, schon lange vor­her, durchgeführt hätten. Es mußte erst ein Befehl „von oben“ kommen, vom höch­sten Machtorgan, dem kommunistischen Innenministerium und seinem Chef, Vaclav Nosek. Das, was Beneš auf dem Brünner Rathaus hinausschrie, Gottwald mit seinen Schergen verwirklichte es unmittelbar darauf - es handelt sich nur um ein paar Tage. Beneš spielte den Schmetterball zu und Gottwald mit seiner Verbrecherbande ver­wandelte ihn augenblicklich zum politischen Punkt, nicht nur gegen die Brünner Deutschen, vor allem gegen die tschechoslowakische Demokratie. Beneš in seiner Verblendung begriff nicht, daß er mit seinem antideutschen Größenwahn der kom­munistischen Expansionskraft, mit ihrer Sehnsucht nach der absoluten Macht und der Zerstörung der Demokratie durchs Auftischen einer Diktatur die Schleuse öffnet. Er mußte sich doch dessen bewußt sein, daß hinter Gottwald Stalin und seine in der Republik anwesende Armee steht, die schicksalhaft in die wilde Phase der Austrei­bung der Deutschen eingreift. Das störte ihn allerdings nicht, er blies bei den verbrecherischen Plänen gegen die Deutschen mit Gottwald ins gleiche Horn. Es ging doch um die gemeinsame Sache - die Deutschen zu vertreiben. Gewinn daraus zog Gottwald, Beneš ließ nur in der Zurückgezogenheit verlauten, daß und wie ihn die „Moskauer“ belügen.

Entscheidend für ihn war allerdings, daß sein Lebenstraum in Erfüllung geht: die verdammten Deutschen aus der Tschechoslowakei zu vertrei­ben. Diesem unterwarf er auch das Schicksal der tschechoslowakischen Demokratie, die Existenz seiner Mitarbeiter, der Parteichefs, der Minister, die er im entscheiden­den Augenblick zu Fall brachte. Er begann mit der deutschen Karte ein Spiel, das dann andere dirigierten, allerdings selbst von Moskau dirigiert, und zuletzt fiel es so aus - wie es ausfiel. Verblendet vom Haß gegen die deutschen Bürger der ÈSR, ließ er den bolschewistischen Geist aus der Flasche, und es gelang ihm nicht, ihn zurück­zubringen. Aber - wollte er es überhaupt? Das gleiche Spiel sahen wir einige Jahr­zehnte später, als die alten Akteure die Szene verließen und der Kommunismus durch eine Quasi-Demokratie ersetzt wurde. Wir sehen dann, wie die Sudetendeut­schen und ihre Austreibung Gegenstand der gleichen politischen Versteigerung im Kampf um die Macht werden. Aus der deutschen Frage wird jeder für seine Partei und Macht politisches Kapital schlagen wollen, mit primitiven Chauvinismus versu­chen, den einfachen tschechischen Menschen für sich zu gewinnen - wie sich überzogene politische Macht und Popularität im Kampf um Wählerstimmen wieder­holen wird. Ja, wie sagt der biblische Prediger? „Es gibt hier nichts Neues, alles war schon vor uns da, Vergänglichkeit über Vergänglichkeit“. Nur die Namen der Riva­len, die aus der sudetendeutschen - ja, auch der Brünner Tragödie - Nutzen ziehen, werden andere sein……..         

Die Autoren und Zeitzeugen des vorliegenden Buches haben uns an etwas erinnert, was der tschechische Leser aus der Praxis kennt, Methoden und Nuancen des Nazi­terrors. Es sind brutale Verhöre unter Anwendung physischer Gewalt bei den Verhörten, bis hin zur Bewußtlosigkeit oder Tötung, wiederholtes Quälen der Opfer durch Hunger, Kälte, Durst, Verweigerung elementarer Bedürfnisse, durch Schmutz, Insekten, bis zur Vernichtung. Die Nazis erfanden gegen Ende des Krieges auf der Flucht vor der Front Märsche der Internierten in westliche Lager, die ob ihrer Scheußlichkeit Todesmärsche genannt wurden.

Und plötzlich sehen wir, wie dies alles, was die Nazis in ihrer wahnsinnigen Brutali­tät erfanden, sich wortwörtlich im Brünner Todesmarsch wiederholt. Der Sieger übernahm alle Methoden seiner früheren Feinde, alle Abartigkeiten, gegen die er ge­kämpft und das Leben seiner Kämpfer geopfert hatte, und vervollkommnte sie noch in nationalem Stil. Was geschah da, wie war das möglich? Unterscheiden sich denn nicht die Mechanismen der Demokratie ganz eindeutig von denen der Diktatur durch die Instrumente des gesellschaftlichen Zusammenlebens und durch den Schutz der Menschenrechte im Sinne der christlichen Zehn Gebote!? Und wir hier schufen ei­nen eigenen Gestapismus.

Als verantwortungslose Politiker durch Aufruf zu Rache und Vergeltung die Schleu­sen einer schrankenlosen Gewalt gegen die Deutschen öffneten, begriffen die Kommunisten sehr schnell, wie sie aus dem Verhalten ihrer nationalsozialistischen Gegner Kapital schlagen können. Durch ihren Fleiß, Disziplin und Organisationsta­lent übertrafen sie alle politischen Gruppierungen, und unter dem Schutze Stalins und seiner auf unserem Gebiet verbliebenen Armee begannen sie ihr zerstörerisches Werk.

Die Kommunisten waren in ihrer Praxis Machiavellisten - für die schmutzige Arbeit gebrauchten sie vorübergehend „Mohren“, die sie nach Erfüllung der Arbeit nicht einmal Weggehen ließen, was sie traditionell sollten, sondern ermordeten. Solche fanden sie nur allzu viele unter den deklassierten, durch Kollaboration mit den Nazis korrumpierten Elementen; sie übernahmen allerdings auch direkte Gestapo-Agenten. Formell wurden sie in die Partei aufgenommen, Privilegien wurden ihnen für die Zeit, in der sie die Verbrechen ausführten, verliehen, dann aber, nach Erfüllung der Arbeit, wurden sie erbarmungslos verstoßen. Sicher, schmutzige Arbeit verrichteten Abweichler und menschliche Mißgeburten auch für andere politische Parteien, die Nationalsozialisten Beneschs, Drtinas, Ripkas, Zenkls und viele andere „Patrioten“ eingeschlossen.

So geschah es, daß unwürdige Menschen Vollstrecker der „nationalen Interessen“ wurden, denen die Chefs der politischen und staatlichen Macht, Beneš eingeschlos­sen, häufig alles erlaubten. Damit sie ohne Hemmungen, sich aller Mittel bedienend und vor nichts haltmachend (Drtina), die nazistische Willkür samt deren Methoden und ihrer Praxis, auch beim Brünner Todesmarsch, mit aller Vollkommenheit kopie­ren. Die nazistischen Hyänen und deren Praxis wurden ihre Lehrer - Greueltaten, die jene begingen, riefen in diesen verdunkelten Köpfen nur einen Impuls zur Wiederho­lung, zu Folgehandlungen hervor. So geschah es, daß die Siegerdemokratie auf den Boden des Verbrechens sank und die Praxis des nazistischen Aggressors übernahm. Wird dieses kolossale menschliche Versagen im nationalen Gedächtnis und in den Schulbüchern verzeichnet sein?

Die Praxis der Gestapo wurde ausgetauscht durch Gestapismus des Siegers. Beim Lesen der Texte der Augenzeugen und der Teilnehmer des Todesmarsches, (aber auch anderer) ergründen wir allmählich das Bild unseres eigenen, nationalen Gestap­ismus. Die Methoden der menschlichen Erniedrigung und der Vernichtung, nicht erfunden, aber vervollkommnet durch die Nazis und ihre Gestapo, wurden unser Ei­gentum, nun verschoben in die Hände der Sieger, die Großzügigkeit zu den Besieg­ten verschmähten, die brachialen Methoden der nazistischen Gewalttäter nicht ächte­ten, sondern sie bis zum Äußersten wiederholten. Als Gefangene, aus nazistischen KZs zurückkehrend, in Pohrlitz (Pohoøelice) das Wüten unseres eigenen Gestapis­mus sahen, erhoben sie laut ihre Stimme: „Wir haben nicht dafür gelitten, daß sich Nazigewalt wiederholt! Hört auf!“ Dies rettete ein paar Leben, es vermochte aber nicht, die Lawine des Verbrechens anzuhalten.

Wußten denn diejenigen, die durch ihre Aufrufe dieses Toben entfacht hatten, nicht, was ihre Unverantwortlichkeit hervorrief? Als Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes den Präsidenten Beneš über die Situation in den Konzentrationslagern informierten, regte ihn das sehr auf. Warum? Einige Male erwähnte er dann Exzesse bei der Vertreibung, angeblich der Nation Masaryks nicht würdig. Das war aber auch alles. Im Jahre 1946 Unterzeichnete er ein Gesetz, das alle Mörder Deutscher (und auch anderer), deren Taten vor dem 28. Oktober 1945 erfolgt waren, straffrei stellte. Jene Morde wurden damit in die Taten des nationalen Befreiungskampfes einbezogen

In den Erinnerungen der Opfer des Brünner Todesmarsches wird die Abartigkeit un­seres Gestapismus in seiner völligen Blöße anschaulich demonstriert, worüber dann Michal Maresch für Peroutkas Das Heute (Dnešek) schrieb. Diese Methoden unse­res heimischen Gestapismus übernahm nach dem Februar 1948 auch die kommuni­stische Macht.

Es sei hier gesagt, daß der Brünner Todesmarsch nach wieder auferstandenen nazi­stischen, gestapoartigen Methoden durchgeführt wurde. Aber nicht nur bei ihm. Diese Methoden wurden gegen alle Vertriebenen eingesetzt. An dieser Stelle ist nur Scham am Platze, daß in der Nation des Comenius und Masaryk so etwas geschehen konnte.

Daß der Sieger von Anfang an die Praxis der Besiegten übernahm, degradierte ihn von Anfang an. Es war allerdings keine durch ihn erkämpfte Freiheit, sondern eine ihm geschenkte. Die Nation, die in ihrer erdrückenden Mehrheit, ohne einen Schuß abzugeben, kapituliert und kollaboriert hatte, bekam eine Gelegenheit zu kämpfen - nach dem Krieg. In der nationalen Revolution gegen die Deutschen (und Ungarn) schuf sie sich einen Ersatzkrieg (Prof. Vaclav Èerny) und trat in ihn ein mit all ihren Minderwertigkeitskomplexen, die aus Angst, Untätigkeit und Faulheit, aber auch aus aktiver Kollaboration herrührten.

So geschah es, daß Hauptakteure des Brünner Todesmarsches auf der Seite des Sie­gers, die Arbeiter und Angestellten der örtlichen „Waffenwerke“ (Zbrojovka) waren, eines Mammutbetriebes, der bis zum letzten Augenblick einer der größten Waffen­produzenten für die Wehrmacht war. Laßt uns Gottwald hören, wie er gerade sie im Moskauer Rundfunk während des Krieges gescholten hat, ihre Anstrengungen (und nicht nur ihre) für die Besatzer anprangerte, zur Sabotage, zum Streiken, zur De­struktion aufrief. Vergeblich allerdings. Die Rüstungsarbeiter folgten ihm in nichts, obwohl sich Gottwald auf die höchste Autorität berief - auf Stalin. Sie arbeiteten im Aktivistentempo weiter, bekamen Vorteile und Zuschläge für Verpflegung, Zigaret­ten. Kleiderkarten und hatten Betriebseinrichtungen zur Erholung. Und plötzlich, in der Stunde des Sieges verspürten sie den Druck der Butter am (Kollaboranten-)Kopf. Es war allerdings eine meisterhafte kommunistische Strategie, ihnen zu ermöglichen, sich durch Grausamkeiten gegen die Brünner Deutschen zu rehabilitieren. Um für die Hilfe, die sie den Naziverbrechern geleistet hatten, Vergebung zu erlangen, über­nahmen sie die Rolle der Haupt-Scharfrichter für ihre Brünner Mitbürger. Die Feigheit während der Nazi-Zeit tauschten sie gegen eine noch größere Feigheit im Dienste des Nationalen Sozialismus ein. Kommunisten gab es in den Waffenwerken (Zbrojovka) nur wenige. Die Kommunisten boten ihnen allerdings einen Ablaß und sie nahmen ihn gierig an.

Einige der Vertreiber aus den Waffenwerken sind sicher noch am Leben - werden sich wenigsten ihre Nachkommen bei den Opfern des Todesmarsches entschuldigen?

Aus dem Buch der vier Brünner Deutschen weht auch der Geruch des Todes. Es zie­hen Dutzende Leichname von Kindern, Greisen und reglosen Menschen vorbei, verstorben und dann verscharrt in Gräben längs der Straße des Todesmarsches. „Wie viele Skelette werden einmal die Pflüger auf ihren Feldern entdecken?“, fragt ein Opfer des Marsches. Sie blieben hier als schreckliches Erbe unserer Hoffart und unserer Bösartigkeit, als ein historisches corpus delicti. Wie sollen wir mit diesem Erbe umgehen?

Jawohl, der Geruch des Hasses und der Rache stinkt hier seit mehr als einem halben Jahrhundert. Die christliche Kultur, in der wir zugegen sind, hat über Jahrhunderte ein würdevolles Pietätritual für die Toten geschaffen. Schließlich erkennt man in diesem Ritual - das in verschiedenen Formen alle Zivilisationen und Religionskultu­ren pflegen - den sittlichen Wert und sein Niveau in der Gesellschaft. Wir haben unsere Toten, die uns nach den monströsen Naziverbrechen hinterblieben, pietätvoll beigesetzt. Wir exhumierten die Massengräber, bestatteten die Opfer, beteten, bauten Gedenkstätten und enthüllten Gedenktafeln.

Ob wir darüber vergessen haben, daß dieselbe Achtung allen menschlichen Wesen gebührt, die in Folge des Wütens, der Gewalt, des Kriegsterrors starben, woher sie auch stammen und welcher Religion auch immer sie angehören. Es geht um Ehr­furcht vor dem Menschen, es geht darum, unsere Kultur und Sittlichkeit zu bezeugen, es geht darum, wie wir uns mit den letzten Dingen des Menschen ausein­andersetzen. Die Opfer des Todesmarsches sind verscharrt wie Tiere, längs der Strecke der Vertreibung. Die in den Straßengräben, in Wäldchen und Feldern wer­den schwer zu finden sein. Die Massengräber in Pohrlitz allerdings ließen sich identifizieren.

Diese Opfer unseres Gestapismus haben wir bisher noch nicht mit christlicher Ach­tung beigesetzt. Ein bescheidenes Gedenkstättchen erinnert uns nicht würdevoll an das, was wir taten und womit wir uns vor Gott an unseren Nächsten versündigen; falls wir uns täglich sagen, daß wir als Kinder Gottes alle gleich sind.

Jede Kultur geht mit Toten anders um. Mit den sterblichen Überresten der getöteten Karpatendeutschen bei Prerau rechnete Gottwalds Schwiegersohn Alexej Èepièka sehr originell ab: während seiner Zeit als Minister befahl er der Armee, die 251 Opfer aus den Massengräbern zu exhumieren, die Gerippe zu verbrennen und die Asche zu zerstreuen. Es blieb nichts. Die Überreste der Ermordeten aus Schwarzbach [Tust], deren Mörder bis jetzt in Prag 2 lebt, die Gerippe dieser 14 Menschen, legte das „Österreichische Schwarze Kreuz“ frei. Als sich die Nachfahren derer, die die Opfer in den Tod schickten, dagegen stemmten, daß die Opfer daheim beigesetzt werden, erbauten die Österreicher jenen ein Mahnmal in Gmünd, ohne Rücksicht darauf, daß die Mehrheit der Opfer tschechischer Herkunft war.

Ja, teuere Brünner und Südmährer! Euere Väter und Vorfahren ermordeten ihre Mit­bürger, die sich dadurch schuldig machten, daß sie Deutsche waren. So bettet sie wenigstens jetzt pietätvoll zur ewigen Ruhe nach christlicher Tradition, so wie Ihr Euere Toten zur Ruhe legt. Es ist ein Appell an Euere eigene Würde, an die Sittlichkeit eueres Daseins, falls Ihr Euch als Christen fühlt; gerade hier, wo das Christen­tum im Staate die stärksten Wurzeln und die reichste Tradition hat              

Ich durchlebte im gemeinsamen Staate der Tschechen und Slowaken - ÈSR - 60 Jahre meines Lebens. Zur Tragödie der Sudeten- und Karpatendeutschen kam es während meiner Existenz, wurde begangen durch meine Vorfahren und von der älte­ren Generation. Aus der Tiefe meiner Seele schäme ich mich für die von ihnen begangenen Verbrechen. Meine Aufgabe sehe ich in der Aufklärung dieser Tragödie durch die Instrumente des Historikers, damit die historische Wahrheit ins Bewußt­sein der Gesellschaft gelangt, was Voraussetzung der Versöhnung, einer vernünfti­gen Existenz und des Zusammenlebens der Nationen ist. Ohne ein tiefes und ständi­ges Studium, wie es deutsche und französische Historiker vollzogen, kann es nicht zu einer deutsch-tschechischen Annäherung kommen. Die Autoren summierten die Zeugnisse der Opfer des Todesmarsches und schrieben ihr Werk vor der Kosovo-Krise. Als dort der Diktator eine ethnische Säuberung durchführen wollte, wie sie einst bei uns stattfand, mit aller Brutalität, mit Morden, und massenhafter Austreibung der Zivilbevölkerung, stoppte die Gemeinschaft der demokratischen Staaten seine Ausrottungsaktion durch einen militärischen Schlag, und der internationale Gerichtshof rief den Hauptanstifter zur Verantwortung. Die Vertreibung der Zivilbevölkerung aus ihrer Heimat, also eine „ethnische Säube­rung“, wird als schlimmste Verletzung der Menschenrechte betrachtet. Damit wurde für die Vertreibungen im 20. Jahrhundert eine ethische und eine Rechtsnorm festge­setzt.

Universalistisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen dem Vertreiben der Deutschen aus der CSR im Jahre 1945 und dem Vertreiben der Albaner aus dem Kosovo. Die Vertreibung aus dem Zuhause und aus der Heimat ist in ihrer monströ­sen Wirkung immer dasselbe, egal wie sie motiviert und bezeichnet wird. Die Verteidiger unseres ererbten Gestapismus und der Beneš-Dekrete ließen verlauten, Vertreibung sei nicht gleich Vertreibung. Ihren Standpunkt kann man verstehen, denn sie billigen die Überreste der ethnischen Säuberung aus dem Jahre 1945 und die Botschaft der Beneš -Dekrete, damit sie auch weiterhin mit der deutschen Karte Trumpf spielen, und die Zeit ihrer Macht, mittels der Stimmen deutschfeindlich ge­sinnter Wähler, verlängern können. Sie vergaßen freilich, daß sich die demokrati­schen Staaten durch ihr militärisches Eingreifen gegen das Miloschewitsch-Regime ex post von jedweden Säuberungen distanzierten. Zur Austreibung der Menschen aus ihrem Zuhause und ihrer Heimat nahmen sie eine klare Stellung ein, wie auch zum Phänomen der Austreibung von Völkern, wie es das Europa des 20. Jahrhun­derts vom Jahre 1923 an, Über Stalins Völkermorde, bis hin zur Vertreibung der Deutschen aus Mitteleuropa so schwer traf. Spät, aber doch, nahmen sie einen kriti­schen Standpunkt ein zu ihrem Versagen auf der Potsdamer Konferenz bei der Vertreibung von Volksstämmen und zu ihrer Schwäche und ihren Zugeständnissen an den bolschewistischen Diktator auf Jalta.

Der Nachfolgestaat der Sowjetunion allerdings hat diesen deutlichen Standpunkt der westlichen Demokratien zu ethnischen Säuberungen nicht eingenommen: er behielt seine postkommunistische Position und Tradition ebenso, wie die tschechischen Demokratiechauvinisten, die Beneš -Dekrete bis jetzt sogar mit dichterischen Wendungen über ihre „Erloschenheit“ schützen, um die Austreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei standhaft zu verteidigen. Um was es eigentlich ging, be­griffen sie nicht, als sie die Lehre aus der Kosovo-Krise und den Standpunkt der westlichen Demokratien herabsetzten.

Die demokratischen Staaten Europas, die das Verlangen eines Diktators nach un­menschlichen Taten bändigten, distanzierten sich so vom Geist des Potsdamer Abkommens in Sachen Umsiedlung und Austreibung von Völkern, von den Äuße­rungen zur Aussiedlung großer Bevölkerungsgruppen, die sie Stalin so kurzsichtig Unterzeichneten.
Es ist eine gute Nachricht für das 21. Jahrhundert und das dritte Jahrtausend.

Das Buch unserer vier ehemaligen Mitbürger ruft uns zu einer Antwort auf.

„ ... wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“
Prag, am 11. Februar 2001. Ján Mlynárik — DANUBIUS 

Zum Autor
Jan Mlynarik, gebürtiger Slowake und promovierter Historiker, war Unterzeichner der Charta 77
und führender Angehöriger des antikommunistischen Widerstands.

1978 veröffentlichte er unter dem Pseudonym„Danubius“ in einer tschechischen Exilzeitschrift
seine „Thesen“ über die Vertreibung der Deutschen und gab damit den Anstoß zur Diskussion
über diese in der Tschechoslowakei tabuisierte Thematik.

Für seine Veröffentlichungen bezahlte er mit Gefängnishaft und anschließendem Exil, während-
dessen er Kommentator bei „Radio Free Europe“ in München war. Nach seiner Rückkehr und bis
zur Abspaltung der Slowakei war er Abgeordneter des Tschechoslowakischen Parlaments.
Heute(2005) ist er Professor für slowakische Geschichte an der Karls-Universität in Prag.

Quelle: Buchumschlag „Fortgesetzte Vertreibung“

 


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