„Ein Hallodri und Fremder aus Frankreich rettet eine ganze Stadt“
Feldmarschall Jean Louis Raduit Graf de Souches
Spannende Erzählungen über einen Hugenottenmarschall in Brünn und Mähren von
Hanna Zakhari

 

Woher kam und wer war Jean Louis Raduit de Souches?
Was verbindet Raduit de Souches mit einer Persönlichkeit wie Kardinal Richelieu?

 

Die beiden Persönlichkeiten der Zeitgeschichte des 17.Jahrhunderts stehen indirekt durch die Vorgänge in und um die französische Hafenstadt La Rochelle, miteinander in Verbindung.

Die Stadt La Rochelle, heute eine Universitätsstadt am Atlantik und beliebtes Urlaubs- und Reiseziel, galt einst als einer der wichtigsten Stützpunkte der Hugenotten und auch als deren stärkste Festung. Die Hugenotten stellten zahlenmäßig zwar nur einen geringen Anteil der französischen Gesamtbevölkerung ( um 1600 ca. 1,2 Millionen oder 5 bis 6 Prozent ) und waren hauptsächlich im Süden des Landes konzentriert, doch gehörten viele von ihnen zu den oberen Gesellschaftsschichten, und eine seit dem Mittelalter für Frankreichs Seehandel so bedeutende Stadt wie La Rochelle befand sich ganz in ihrer Hand.

Raduit de Souches wurde 1608 in dieser Stadt als Sohn des Jean Raduit de Baar und seiner Frau Margarethe geboren. Die Geburt ist in der protestantischen Kirche St. Yona registriert.

Richelieu, der (spätere) französische Kardinal und Staatsratsvorsitzende hat ganz in der Nähe des "Mekkas der Kalvinisten", (so wurde La Rochelle von Zeitgenossen genannt), im Bistum Poitou seinen Werdegang begonnen. Die Auseinandersetzung mit den protestantischen Ständen gehörte von Beginn an zu Richelieus Leben und Laufbahn. Zum einen lebten im Gebiet des Bistums zahlreiche Hugenotten, mit denen sich Richelieu als katholischer Bischof auseinanderzusetzen hatte,
zum anderen hat Richelieu als weitsichtiger Politiker durchaus die Bedeutung des Handels und der anderen Unternehmen der Hugenotten für das Land erkannt. Über lange Zeiträume hinweg war Richelieus Haltung gegenüber den Hugenotten staatsmännisch und in gewisser Weise tolerant, zeitweise erfolgten auf den Druck starker religiöser Strömungen Maßnahmen und Eingriffe, jedoch hat Richelieu dabei immer ein der Zeit angemessenes Augenmaß walten lassen. Seine Absicht sei es, die Hugenotten zu heilen und nicht sie zu verletzen, erklärte er dazu in einer seiner Schriften.

Die wechselvolle Geschichte von La Rochelle gipfelte 1627 im Aufkreuzen der englischen Flotte vor der Bucht von La Rochelle. Die vielfältigen Beziehungen französischer Hugenotten zu England führten zu einer Beistandsaktion, die in Frankreich jedoch als potentielle Gefahr einer englischen Invasion bewertet wurde. Dies führte in der Folge zu einer erstmaligen Bindung Frankreichs an Spanien und einem Feldzug gegen La Rochelle.

Kardinal Richelieu bei der Belagerung von La Rochelle, von Henri Motte (1881)

Die Belagerung von La Rochelle dauerte über ein Jahr und endete mit der Eroberung und Fall der Stadt Ende Oktober 1628. Die lange erfolgreiche Verteidigung der Stadt ist einmal auf die Befestigungen der Stadt landeinwärts zurückzuführen, zum anderen aber auf die Verbindung mit der Außenwelt über die Bucht von La Rochelle und die damit sichergestellten Nachschubwege, vorwiegend durch die englische Flotte. Der Fall von La Rochelle wurde nur durch den Bau eines Dammes über die Bucht erreicht, der es ermöglichte, La Rochelle zu isolieren und die Nachschubwege abzuschneiden.

Es wird angenommen, daß der junge de Souches über Jahre hinweg den Konfliktzustand und die damit verbundenen vorsorglichen Befestigungs- und Militäroperationen innerhalb La Rochelle beobachten konnte und sich 1627/28 auch daran beteiligte. Dort sammelte er auch seine ersten Erfahrungen im Bezug auf Befestigungsarbeiten, Verteidigung und allgemeine militärische und zivile Versorgungslogistik. Nach dem Fall von La Rochelle entschloss sich de Souches – wie viele hugenottische Familien - Frankreich zu verlassen. Er suchte jedoch nicht sein Glück in den neuen Kolonien, sondern in Europas Militärkonflikt des 30-jährigen Krieges.

In historischen Quellen wird Raduit de Souches erst 1635 als Hauptmann eines schwedischen Regiments erwähnt. Man nimmt an, daß er Teilnehmer der Schlacht bei Nördlingen war, 1636 nimmt er teil an der Belagerung von Stargard.

 

Die Persönlichkeit Raduit de Souches

Raduit de Souches gilt als sehr belesen und gebildet, ausgestattet mit Weitblick, Erfahrung auf allen militärischen Gebieten mit den Schwerpunkten Befestigung, Festungskonzeption und Festungsbau wie auch Verteidigungsstrategien, persönlichem Mut, Durchsetzungsvermögen und Engagement. Wie viele Persönlichkeiten mit Kompetenz, Können und schnellem Denkvermögen neigte er dazu, gegenüber anderen aufbrausend und ungeduldig zu reagieren. Diese Charaktereigenschaften haben mehrfach seine militärische Laufbahn ausgebremst. So habe er bereits 1636 bei der Belagerung von Stargard seine Missbilligung des Vorgehens seiner Vorgesetzten öffentlich geäußert, dagegen aufbegehrt und die Armee verlassen. Er ging zurück nach Frankreich, mit der Absicht, seine Militärlaufbahn dort fortzusetzen. Dies glückte nicht. Daher kehrte de Souches nach einiger Zeit in die schwedische Armee zurück. Hier wurde er erneut aufgenommen, zum Offizier ernannt und nach Schlesien abkommandiert, freundete sich mit Karl Gustav Wrangel, dem späteren schwedischen Generalmajor und einem der wichtigsten Feldherren des 30jährigen Krieges an.

In der Folge gerät de Souches dank seines Könnens aber auch des aufbrausenden Naturells mehrfach in ähnliche ernsthafte Konflikte; doch st er auch, gerade wegen seiner herausragenden strategischen Fähigkeiten, sehr oft missgünstiger Kritik und zahlreichen Intrigen ausgesetzt. 1641 führt seine offene Kritik an seinem Vorgesetzten, General Torsten Stahlhansen zu einer Gefängnisstrafe. Einem bevorstehenden Militär-Gerichtsverfahren entzieht sich de Souches durch Flucht; er verläßt schwedische Dienste.

 

Raduit de Souches im Dienste der kaiserlichen österreichischen Armee

Auf seiner Flucht nach Frankreich, trifft er in Wien auf den Bruder des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich, der ihn, im Wissen um seine Kenntnisse des schwedischen Militärs, für den Dienst in Habsburgs Armee verpflichten kann. De Souches wird zum Offizier ernannt und unter dem Befehlshaber Generalmajor Krakow nach Pommern geschickt. Dort lagernde schwedische Positionen sollen gestoppt oder zumindest geschwächt oder deren Voranschreiten nach Böhmen verlangsamt werden.

Die Aktion von General Krakow wurde zum kompletten Fiasko. Dreiviertel seiner Armee wurde vernichtet; von 4000 Mann kehrten nur 1200 zurück.

Raduit de Souches, sparte auch in diesem Fall nicht mit Kritik an dem Vorgehen der Vorgesetzten. Der innere Zerfall der Armee führte zu einer Rebellion, an der er beteiligt war. Er wird verhaftet und diesmal vor ein Militärgericht in Prag gestellt. Raduit de Souches verteidigt sich erfolgreich, behält seinen Rang, verliert jedoch sein Regiment.

Doch er bleibt ehrgeizig, stellt ein neues Regiment zusammen und wird zur Unterstützung von Ladislaus von Waldstein zur Belagerung von Olmütz abkommandiert. Hier beginnt seine eigentliche Erfolgsgeschichte.

Nach zunächst erfolgloser dreimonatiger Belagerung wird für den 20.September 1644 ein Angriff über die, in der Zwischenzeit ausgehobenen, unterirdischen Stollen angesetzt. Zwei Abteilungen, darunter eine mit 400 Mann unter der Führung von Raduit de Souches, sollte unterhalb der Stadtmauer das Dekanat besetzen und das Stadttor öffnen. Um die Aufmerksamkeit der Belagerten abzulenken, wird gleichzeitig ein offener Angriff auf der entgegengesetzten Seite der Stadtmauer durchgeführt.

Die List wurde allerdings durchschaut, Raduit de Souches im Dekanat eingeschlossen und das Gebäude in Flammen gesetzt. De Souches gelang es zu entfliehen. Er selbst gab an, er habe den Weg zurück durch die unterirdischen Stollen gefunden, andere berichteten über einen kühnen Sprung de Souches in den Burggraben und von seiner, unter dem Feuer der schwedischen Musketiere, gelungenen Flucht. Die Kunde über dieses Heldenstück verbreitete sich bis Wien. Nicht zuletzt aufgrund dieser Geschehnisse wurde Raduit de Souches am 15.März 1645 zum Militärkommandanten der Stadt Brünn ernannt.

Einen Tag später zog der neue Kommandant an der Spitze einer französischen Einheit von 300 Mann in die Stadt Brünn ein.

 

Die Vorbereitungen zur Verteidigung von Brünn

Zuerst fanden die katholischen Brünner an diesem Hugenotten und Franzosen (Frankreich war damals im Kriegszustand mit den Habsburgern) keinen besonderen Gefallen. Die Kunde eines unlauteren, wilden Lebenswandels ging ihm voraus und verbreitete sich schnell. Und dann auch noch Protestant. Ein dahergelaufener Hallodri und Fremder, ein Ausländer und Flüchtling, was denn sonst?

Es bedurfte erst eines deutlichen Schreibens des Kaisers an den Stadtrat und den Landeshauptmann von Mähren, sozusagen einer strengen Abmahnung, um zu einer Akzeptanz des neuen Obersten zu kommen. Nur murrend und erst auf Befehl nahm die Stadt den Fremden auf und an.

Der junge Kommandant aber scherte sich nicht drum. Er konzentrierte sich unverzüglich auf die Befestigung der Stadt und die Vorbereitung ihrer Verteidigung. Vielleicht getrieben durch die Sorge, selbst den Schweden in die Hände zu fallen, ließ er Schanzen errichten, die Gräben um die Stadtmauer herum vertiefen und gleichzeitig einen Weg graben, welcher Brünn vom einstigen Stadthof mit der Burg Spielberg verband (der „verdeckte Weg“). Dieser Weg ermöglichte später, nachdem die schwedischen Belagerer die Wasserversorgung der Burg unterbinden konnten, diese trotzdem mit Wasser zu versorgen. In der Vorstadt ließ de Souches alle höheren Gebäude bis zu einer Entfernung von 600 Schritten von der Stadtmauer niederreißen, alle Erhöhungen einebnen und alle Gruben verschütten. Damit wurden dem Feind alle Deckungsmöglichkeiten genommen. Die Bastionen und die Verteidigungsmauer wurden von der bisher geraden Form, da wo irgend möglich, winkelförmig umgestaltet. Auf seinen Befehl wurden in der Stadt Schindeldächer abgetragen, die bei Brand die Umgebung bedrohen könnten. Mit Hilfe vom Landeshauptmann Sank ließ er Munitions-, Waffen- als auch Lebensmittelvorräte für ein halbes Jahr zusammentragen.

Die Begeisterungsfähigkeit und der Mut des fremdländischen Kommandanten steckte letztendlich die Brünner an. Der Brünner Widerwille wandelte sich recht schnell in Bewunderung für den jungen Wilden. In der Stadt wurde eine Mühle errichtet, und auch für die Schießpulverherstellung gesorgt. Alle Handwerker, nicht nur die Waffen-schmiede, arbeiteten fieberhaft daran, die Stadt und ihre Verteidiger mit dem Erforderlichen zu versorgen. Zwei der damaligen Stadttore ließ De Souches zumauern, den Zugang zur Stadt bildeten danach das Judentor und das Brünner Tor (später Stadthof). Durch diese und die „strada coperta“ wurde die Verbindung zum Spielberg aufrechterhalten. Die Befestigung wurde teilweise durch eine natürliche Hürde gebildet, den Fluss Schwarza, der damals direkt unterhalb des Domes, etwa im Raume des heutigen Brünner Hauptbahnhofes verlief und am Radlas in die Zwitta mündete.

 

Die Belagerung der Schweden

Am 3.Mai 1645 kamen die ersten Truppen der Schweden vor Brünn an.

Torstenson versuchte zunächst, über eine kampflose Übergabe zu verhandeln. Dies lehnte der Stadtkommandant ab.

Torstenson errichtete sein Hauptquartier auf dem Gebiet des heutigen Königsfeldes. Er begann die Belagerungsarbeiten damit, daß er die Stadt durch ein netzartiges System von unterirdischen Stollen bzw. Gräben umspannen ließ. Die Hauptrichtung der unterirdischen Stollen führte in Richtung Spielberg, mit der Absicht einer Sprengung.

Raduit de Souches durchschaute das und machte diese Absicht durch einen über-fallartigen Ausfall einer kleinen Mannschaft am 15.Mai 1645 zunichte.

Daraufhin verlegte Torstenson sein Hauptquartier nach Mödritz, um den Verlauf der Angriffe besser steuern und beobachten zu können. Ein weiterer Angriff sollte durch das Erstürmen der Bastionen unterhalb des Petersdomes erfolgen. Dieses für die Angreifer äußerst gefährliche Unterfangen (die Soldaten, die vollbewaffnet über Leitern kletterten, wurden von oben mit heißem Wasser oder Öl begossen, erlitten auch durch umgestürzte Leitern schwere Verletzungen) konnte ebenfalls abgewehrt werden.

Wechselseitig folgten Angriffe der Schweden auf die Festung, aber auch Ausfälle der Verteidiger gegen schwedische Lager. Die Moral der Verteidiger stieg durch jeden Tag erfolgreicher Verteidigung, die der schwedischen Angreifer sank. Abermals verlegte Torstenson sein Hauptquartier, diesmal nach Kumrowitz.

Etwa Mitte Juni hatten die Schweden die Stollen bis in die Nähe des „verdeckten Weges“ soweit vorangetrieben, daß dem Spielberg ernste Gefahr drohte. Zum Glück griff an diesem Tag die Natur ein. Gegen Nachmittag kam es zu starken Regenfällen, so daß die Wassermenge die Stollen und Gräben innerhalb kurzer Zeit füllte. Unter den schwedischen Söldnern kam es zur panikartigen Flucht. Raduit de Souches beobachtete die Panik und ordnete einen weiteren Ausfall und Angriff an. Die dabei gefangen genommenen schwedischen Söldner bestätigten de Souches die sinkende Moral der schwedischen Truppen.

Besonders erfolgreich war der Ausfall de Souches am 17.Juni in Richtung Altbrünn. Dabei konnte ein Munitionsdepot der Schweden gesprengt und die Holzverstrebung der Stollen durch brennende Strohballen entzündet werden. Die drauf folgenden Einstürze machten die Stollen unbrauchbar.

Am 24. Juni erreicht die Verteidiger die Nachricht, daß eine Verstärkung des Kaisers unterwegs ist um zu helfen. Feldmarschall Graf Colloredo richtete die 600 Mann starke Truppe aus, sie wird durch Leutnant Pachoj geführt. Sie nähert sich Brünn aus Richtung des heutigen Schreibwaldes und erreicht die Stadt durch eine List: Ein Teil der Truppe greift unerwartet die schwedischen Lager an, verursacht Chaos und Panik. Am Höhepunkt der Panik zieht sich die Abteilung zurück und reitet zurück nach Prag. Zur selben Zeit erreicht ein weiterer Teil unter der Führung von Graf Wrbna den „verdeckten Wege“ und damit den Spielberg und die Stadt. Die Freude der Belagerten ist riesen-groß. Die Verstärkung brachte frische Vorräte an Schießpulver und der geglückte Durchbruch hob die Moral der Bürger.

Das Talent von Raduit de Souches erstreckte sich jedoch nicht nur auf militärische Operationen. Er war in jeder Beziehung eine fähige und umsichtige Führungs-Persönlichkeit. Er ließ, als die Lebensmittelvorräte in der Stadt knapp wurden, ein Verzeichnis mittelloser Bürger anfertigen und bot ihnen einen Dienst in der Stadtwache und damit einen gesicherten Lebensmittelbezug an.

Torstenson sieht voraus, daß nach dem Eintreffen der Verstärkung unter Graf Wrbna in der Stadt die Futtervorräte für die Pferde knapp, und diese aus der Stadt herausgeführt werden müssen. Er stellt Wachen zur Beobachtung aller Brünner Stadttore ab. De Souches aber hat in der Nähe des Judentores ein Stück der Stadtmauer durchbrechen, eine Notbrücke erstellen und mit einen dicken Schicht Mist zur Dämmung der Hufschläge bedecken lassen. Auf der Höhe des Brünner Tores ließ er einen Zwischenfall inszenieren, der die schwedischen Streitkräfte band und ablenkte. Dadurch konnten die Pferde, den Mauerdurchbruch nützend, über die Furt der Schwarza in Richtung Pernstein in Sicherheit gebracht werden.

Am 17. Juli bat Torstenson um ein nochmaliges Gespräch mit de Souches. Der schickte seinen Vertreter, Graf von Wrbna. Torstenson, schwer gichtkrank, wurde von Graf Mortaigne vertreten. Das Gespräch wurde von einer Reihe versteckter Brünner Bürger abgehört, Mortaigne versuchte mit aller Macht Wrbna von der Notwendigkeit einer Aufgabe der Verteidigung zu überzeugen, Wrbna gab nicht nach. Die Stadt sei sehr gut mit Brot und Wein versorgt und es gäbe keinen Grund zur Sorge. Dazu wurden den Schweden immer wieder Gaukler und Liedermacher. Trompeter und Trommler auf den Stadtmauern vorgeführt, die die Belagerer verspotteten. Allemals, allemals geht es so zu…

 

Die Entscheidung

Was Wunder, daß sich um die hartumkämpfte Stadt und ihre Befreiung später Legenden woben. Da ist erstmal der Späher, der unbemerkt bis zu Torstensons Zelt vorgedrungen sein und dort gehört haben soll, daß dieser die Belagerung abbrechen will, sollte die Stadt nicht bis zum Mittagsläuten des nächsten Tages eingenommen sein.

Des Spähers Meldung verbreitet sich blitzschnell in der Stadt und alles rüstet, um mit letzter Kraft den nächsten Vormittag zu überstehen. Der Feind sei an diesem entscheidenden nächsten Vormittag schon fast in der Stadt gestanden. Er gewinnt Zoll um Zoll, Fuß um Fuß, Elle um Elle an Boden. Gerade noch rechtzeitig merkt der schlaue Dom-Glöckner die große Not, er stürmt die Turmstufen hoch, eine nach der anderen, und – hängt sich an das Seil der Mittagsglocke. Genau eine Stunde früher, um elf Uhr, die Glocke schlägt an, keine Minute zu spät. Still wird es in der Stadt, die Schweden brechen den Kampf ab und ziehen sich zurück.

Da ist ferner die fromme Erzählung, am Tage der Schlacht sei Maria selbst in den Wolken erschienen und habe ihren Mantel über der Stadt ausgebreitet um sie zu schützen.

Nicht sei richtig an diesen Geschichten, finden die Historiker. Richtig sei, daß Torstenson für den 15.August einen Generalangriff auf die Stadt plante. Bereits zu Beginn des Monats hat er durch seine beiden weit reichenden Kanonen der Spielbergfestung empfindliche Schäden zufügen können. Eine Eroberung konnte jedoch abgewehrt werden. Besonderes Glück für die Stadt war, daß am 8.August 250 Dragoner (aus der Aktion der aus Brünn herausgeführten Pferde) nach Brünn zurückkehrten und auch durchschlüpfen konnten. Diese bildete eine willkommene Verstärkung der Verteidiger und hob erneut die Moral der Belagerten.

Aus der unentwegten Beobachtung der Bewegungen im schwedischen Lager konnte der erfahrene Raduit de Souches ablesen, auf welche Art und Weise der Generalangriff stattfinden sollte. Die Stellungen der Schweden deuteten auf die Eroberung des Domes. De Souches ließ dort an den kritischen Stellen weitere Palisaden aufbauen, Barrikaden versperrtem die umliegenden Straßen, Fenster des Domes wurden zu Schießständen ausgebaut.

Bereits um fünf Uhr morgens begannen die schwedischen Angriffe. In Richtung des Doms abgeschossene Kanonenkugeln richteten schweren Schaden an, die Stadtmauer wurde an mehreren Stellen durchbrochen. Torstenson ordnete am Nachmittag eine Verhandlungspause an und bot der Stadt noch mal die Möglichkeit einer Kapitulation. Die Verteidiger lehnten ab.

Die darauffolgenden Kämpfe unterhab des Petersdoms wurden mit unvorstellbarer Härte geführt. Mehrere Angriffswellen konnten abgewehrt werden, Raduit de Souches kämpfte in der Nähe des Judentores persönlich, einen Tag vor seinem 37. Geburtstag.

Allerdings war der Angriff auf die Brünner Südseite nur ein Ablenkungsmanöver. In Wirklichkeit hat Torstenson seine besten Kräfte, das Dragonerregiment „Altblau“ auf der Nordseite konzentriert, auf dem Damm des damals in der Nähe der St. Thomaskirche liegenden Teiches. Von da an sollte die aus der Brünner Stadtmauer herausragende Bastion des St. Thomas Klosters eingenommen werden. Teilen der Elitetruppe ist es auch gelungen, in die Bastion zu gelangen, sie wurden jedoch zurückgeschlagen.

Es ist nicht richtig, daß die Kämpfe mit dem mittäglichen Glockengeläut beendet wurden. Nach persönlichen Aufzeichnungen von Raduit de Souches wurde bis in die Abendstunden gekämpft. Erst abends bat de Mortaigne um die Erlaubnis, die schwedischen Gefallenen aus der Stadt holen zu dürfen. De Souches hat aus Sorge, dies könnte eine List bedeuten, abgelehnt. Erst bei Morgengrauen wurde der Bitte für zwei Stunden lang entsprochen, die gefallenen Offiziere wurden den Schweden sauber gewaschen, in weiße Kutten angezogen und in Särgen übergeben.

Einige Tage später bot Mortaigne einen Austausch der Gefangenen an. Auch hier stimmte de Souches nur teilweise zu. In Brünn befanden sich an die 150 Gefangenen unter den schwedischen Belagerern nur einige.

Insgesamt leistete Brünn 112 Tage Widerstand gegen eine mächtige Armee. Die Armee von Lennart Torstenson kam mit 28.000 Mann an und wurde im Juli und August durch die Siebenbürger um insgesamt 12.000 verstärkt. In Brunn standen Torstenson insgesamt knapp 1500 wehrfähigen Männern gegenüber, davon zunächst nur etwa 500 mit militärischer Ausbildung. Die Belagerten verloren zweihundertfünfzig Mann, die Verluste der Schweden und ihrer Verbündeten werden auf 8000 Mann geschätzt.

Torstenson zog mit seiner Armee am 23. August 1645 ab; nicht ohne die kleinen Dörfer um Brünn böse zu plündern, zu verwüsten und dem Erdboden gleich zu machen.

 

Was brachte der Widerstand ein?

Die Brünner konnten ihr Leben und ihr Eigentum behalten. Im Gegensatz zu den von Schweden besetzten Städten (Olmütz, Iglau, Znaim), in denen nach der mehrjähriger Besatzung nur noch verwüstete Häuser, eine dezimierte Bevölkerung bei zerstörter Wirtschaftskraft zurückblieb, war die erfolgreiche Verteidigung Brünns die Grundlage für den späteren wirtschaftlichen Wohlstand der Stadt .

Durch den Misserfolg vor Brünn waren die schwedischen Truppen nicht mehr im Stande ernsthaft weitere Eroberungen zu machen. Torstenson zog zwar noch in Richtung Wien, konnte dort aber kaum mehr entscheidend tätig werden. Er demissionierte aus Krankheitsgründen noch zum Ende des gleichen Jahres. In historischen Dokumenten finden sich Hinweise darauf, daß die schwedische Niederlage vor Brünn die Teilnahme der schwedischen Delegation an den Friedensverhandlungen in Westfalen erzwang.

Die Nachricht, daß die Stadt Brünn den Schweden widerstand, bedeutete zu der damaligen Zeit eine Sensation von Weltrang. Kein Wunder. Olmütz kapitulierte nämlich vor den Schweden nach vier Tagen, Iglau innerhalb eines Tages, Znaim ergab sich völlig ohne eigene Verteidigung. Die Nachricht verbreitete sich bis nach Italien, Deutschland und Frankreich. Die Verteidiger der Stadt, alle, auch die Bürger, Meister, Gesellen und auch Studenten, wurden reich belohnt und befördert. De Stadt erhielt eine Reihe von Privilegien und Steuererleichterungen und auch das Stadtwappen wurde aufgewertet.

 

Was ist aus dem legendären Brünner Verteidiger geworden?

Der junge französische Stadtkommandant wurde noch im gleichen Jahr zum Generalmajor befördert, geadelt und zum Oberbefehlshaber der Mährischen Armee ernannt. Als Feldmarschall Jean Louis Raduit Graf de Souches nimmt er in verschiedenen Führungspositionen an weiteren Kriegsereignissen teil. Er ist nicht nur maßgeblich am Zurückdrängen der Schweden aus ganz Europa, Baltikum und Pommern, beteiligt. Auch die Verteidigung Mährens gegen die Kriegszüge des Osmanischen Reiches, die über die heutige Slowakei bis nach Mähren durchdrangen, wird ihm übertragen. Es ist ihm zu verdanken, daß die türkischen Verbände bis auf das rechte Ufer der Donau zurückgedrängt werden.

Das Haus in Brünn am Freiheitsplatz kauft Raduit de Souches 1649 für 60.000 Gulden. mitsamt dem Garten und dem damals anliegenden Stadttor.

Sein Gut außerhalb von Brünn, das verschuldete Jaispitz, aber auch weitere Besitzungen saniert er mit viel Geschick. Schloß Jaispitz wird von Grund auf umgebaut. Die barocke Form entwirft und erstellt der italienische Baumeister Ronie. Raduit de Souches errichtet dort eine Bibliothek mit mehr als 3000 Bänden mit Werken der Philosophie, Geschichte, Religion sowie Belletristik in mehreren Sprachen. In Jaispitz selbst lässt er einen Hochofen erstellen und erzeugt dort Schmiedeeisen, vorwiegend für militärischen Gebrauch.

Die Heilquellen in seiner Besitzung Tiefmaispitz in der Nähe von Znaim nutzt er, um den kleinen Ort zum Heilbad auszubauen. Er errichtet dort eine Wallfahrtskirche und ein großes Gästehaus und widmet dem Ort eine wertvolle Statue der Jungfrau Maria de Foi, die er persönlich von einem Einsatz in Belgien mitbringt. Als fähiger Organisator führt er seine Besitzungen zum Wachstum und Wohle der dort lebenden Menschen. Übrigens – 1660 richtet er in Jaispitz eine Schule mit der Unterrichtssprache Tschechisch ein. Der ersten Ehe mit Anna Elisabeth Freifrau von Hofkirchen entstammen zwei Töchter und zwei Söhne; Karl Ludwig folgte dem Vater in der Karriere im kaiserlichen Militärdienst, Sohn Louis Raduit galt als schwermütig. In der zweiten Ehe mit Anna Salome Gräfin zu Aspermont-Reckheim wurde ein Sohn geboren, der kurz nach der Geburt starb.

Feldmarschall Jean Louis Raduit Graf de Souches starb in geistiger Umnachtung und völlig erblindet 1682 auf seinem Schloss in Jaispitz.

Das Grabmal in St. Jakobskirche wurde - entgegen seinem Wunsch - nicht von seinen Kindern, sondern erst nach einer Intervention des Kaisers von seinen Enkeln errichtet. Die Statue wurde in Holz durch den Brünner Künstler Johann Christian Pröbstl erstellt, in Bronze durch Johan Siegmund Kerckel gegossen.

In Jaispitz ist das Wappen der Familie de Souches, zusammen mit dem Wappen seiner ersten Gemahlin, Anna Elisabeth Freifrau von Hofkirchen erhalten.

In Tiefmaispitz ist ebenfalls das de Souches Wappen erhalten, zusammen mit dem Wappen seiner zweiten Gemahlin, Anna Salome von Aspermont-Reckheim.

 


Dies ist der Aufruf dieser Seite seit dem dem 01.02.2001.
© BRUNA e.V.