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Der Mährische Ausgleich 1905 -

eine wichtige Ergänzung zur Geschichte Brünns und
ein beherzter Schritt der Politiker beider Nationen
zur Befriedung nationaler Divergenzen


Der Mährische Ausgleich                                                               
Was sollte ausgeglichen werden?  Das ist nicht mit einem Satz zu beantworten.

Eine historische Vorbemerkung
" Mähren hat eine bewegte Vergangenheit. Es gab ein Mährisches Reich, das sogar Teile Böhmens beherrschte, es wurde reichsunmittelbare Markgrafschaft, es wurde österreichisches Kronland. Die Vereinigung mit dem Königreich Böhmen brachte keine innere Einheit.  Ein Riß ging quer durch beide Länder, eine Trennung in zwei einander wesensfremde Nationen, in Deutsche und Tschechen, ohne festgelegte Grenzen.
Deutsche Siedlungsgebiete ragten in tschechisches Territorium hinein oder waren dort als Sprachinseln eingesprengt, und umgekehrt. Das entfachte immerwährende nationale Kämpfe, wobei die Tschechen in Böhmen radikaler waren als die in Mähren."
(Karl Norbert Mrasek)

" Böhmen war viel bekannter, aber auch umkämpfter, Böhmen wurde mehr gepriesen und trotzdem stießen in diesem Lande die Gegensätze in der Geschichte viel stärker aufeinander als in der alten Markgrafschaft und im späteren kaiserlichen Kronland Mähren. Die Formen verliefen hier weniger scharf, die Landschaft ist von weniger Kontrasten gezeichnet, alles ist milder, weicher und friedlicher, was sich auch auf die Menschen ausgewirkt hat. Kein Wunder, daß der historische "Mährische Ausgleich" hier  zu Stande kam, jener großartige Versuch, gesetzliche Grundlagen für ein reibungsloses und würdiges Nebeneinanderleben mehrerer Nationen zu schaffen."                         
(Reinhard Pozorny)


Der Mährische Ausgleich  - Das Gesetzeswerk


Das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark anwachsende nationale Selbstbewußt-sein der Tschechen in Böhmen und Mähren verdichtete sich in Mähren zu Verhandlungen um  die Änderung des  Wahlrechtes, das die deutsche Dominanz festschrieb und dadurch die Vertretung tschechischer nationaler Interessen behinderte, wenn nicht verhinderte.
In Böhmen waren Verhandlungen mit den gleichen Zielen in den politischen Gremien (Landtag, Landesregierung) mehrfach sehr weit gediehen, gingen aber den besonders engagierten sogenannten "Jungtschechen" nicht weit genug. Alle Anläufe scheiterten letztendlich an der fehlenden Kompromißbereitschaft und an Intrigen außerparlamenta-rischer Kräfte beider Seiten.

In Mähren führte der Kampf der Tschechen um die gleichen Rechte wie das deutsche "Staatsvolk" gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Mährischen Landtag zu Verhandlungen um ein Gesetzeswerk, das dies ermöglichen, zumindest einleiten sollte.                   
                                                                                                                            
Die mährischen Verhandler bedienten sich zwar der böhmischen Teilergebnisse, waren aber erfolgreicher. Es währte neun lange Jahre, in denen es zu ständig neuen Vorschlägen und zu Kompromissen, aber auch zu deutschen Zugeständnissen kam.  

Im Jahre 1905 war es dann soweit, daß zum "Mährischen Ausgleich" vier verabschiedungs-reife Gesetzestexte vorlagen, über die im Landtag am 16. November abgestimmt werden sollte.
Diese Gesetze zielten auf eine Beruhigung durch die Stärkung des Wahlrechtes für den tschechischen Bevölkerungsteil und dadurch, daß der Gebrauch beider Sprachen auf den amtlichen Ebenen zugunsten des tschechischen Bevölkerungsteiles geregelt wurde.

Damit eröffnete sich die Möglichkeit, den bisher üblichen alltäglichen Streit, der Vergangenheit zuzuweisen.

Das erste Gesetz
bestimmte in einer neuen Wahlordnung die Verteilung der Abgeordneten auf die einzelnen Wahlgruppen und die jeweilige nationale Zugehörigkeit.

Das zweite Gesetz regelte alle Einzelheiten des Wahlverfahrens.
Diese beiden Gesetze wurden am 16. November 1905 gegen die Stimmen der tschechi-schen bürgerlichen Parteien angenommen.

Das dritte Gesetz bestimmte im  wesentlichen die Handhabung der Amtssprache, was für den tschechischen Bevölkerungsteil große Erleichterungen brachte. Der Gebrauch der tschechischen Sprache im Amtsbereich wurde verbindlich festgelegt.

Das vierte Gesetz regelte sehr umfangreich das Schulwesen, schrieb die Bildung nationaler Schulbezirke vor, trennte die Schulräte aller Ebenen nach der Nationalität.
Diese beiden Gesetze wurden am 22. November 1905 mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.

In Böhmen kam es zu einer ähnlichen Gesetzgebung nicht. Dagegen wurde der
„Mährische Ausgleich“ zum Muster für ähnliche Versuche unterschiedlichen Erfolges in Schlesien, Galizien, Bukowina und Bosnien- Herzegovina.

 In der Tschechoslowakei, einem der Nachfolgestaaten der Habsburger Monarchie, gingen die im "Mährischen Ausgleich" erreichten Nationalitätsrechte verloren. Die ÈSR sah sich als Nationalstaat. Minderheitenrechte wurden zwar zugesichert, über deren Handhabung existieren aber höchst unterschiedliche Beurteilungen. Die beim Mährischen Ausgleich nach Nationalitäten getrennte Schulverwaltung blieb in Mähren bestehen.

Die Deutschen wurden, neben anderen, Minderheit im neuen Staate. Da die Zusammensetzung der Bevölkerung der Vorkriegszeit gleich geblieben war, hätte man für die Minderheiten die befriedenden Vereinbarungen des MA für den ganzen Staat übernehmen, weiterentwickeln und für die Minderheiten in Kraft setzen können.

Das wollte man nicht, der Nationalismus siegte. Die Fehler der Habsburger Zeit wurden übernommen, teilweise übertroffen. Von da an galt der tschechische Wille praktisch unbegrenzt; man hatte sich zum Staatsvolk erklärt.


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