Der Beitrag Brünns zur Deutschen Kultur


Zu diesem Thema hielt Prof.Dr.Grulich am 13. August 2014 beim Bundestreffen der BRUNA in Schwäbisch Gmünd eien Vortrag, den wir hier wiedergeben. Obwohl manches daraus an anderen Stellen von bruenn.eu bereits erwähnt ist, wird es hier in anderen Zusammenhängen dargestellt. Der Beitrag empfiehlt sich den Besuchern daher aus diesen Gründen.

Wie groß ist der Anteil Brünns an der deutschen Kultur? Manche von Ihnen, verehrte Zuhörer, waren auch heuer beim Sudetendeutschen Tag in Augsburg, als der Große Sudetendeutsche Kulturpreis verliehen wurde und weitere Kulturpreise für Wissenschaft, Musik, darstellende und ausübende Künste, Literatur, Bildende Kunst und Architektur sowie der Volkstumspreis. Sie wurden heuer zum 60. Male verliehen.

Zum 20-jährigen Verleihen dieser Preise hat Viktor Aschenbrenner eine Dokumentation herausgegeben: Fruchtbares Erbe. 20 Jahre sudetendeutscher Kulturpreis.
Aschenbrenner, langjähriger Bundeskulturreferent der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Schriftleiter der Europäischen Kulturzeitschrift Sudetenland schrieb damals: „Fast alle schöpferischen Kräfte, die aus den Sudetenländern stammen, sind als österreichische oder allenfalls böhmische ins Bewusstsein gedrungen.“ Und er zitierte eine westdeutsche Zeitung, die anlässlich der Verleihung des Großen Kulturpreises an Alfred Kubin berichtete: „Kubin bekenne sich tatsächlich zur sudetendeutschen Volksgruppe, aber nicht die Sudetendeutschen hätten Kubin ausgezeichnet, sondern etwas vom Glanze Kubins falle damit auch auf die Sudetendeutschen.“

Sie kennen alle den Begriff „böhmische Dörfer“ für unbekannte Dinge oder Tatsachen. Wissen die Brünner, die noch zweisprachig aufwuchsen, wie man diesen Ausdruck im Tschechischen übersetzt? Die Tschechen sprechen von „spanischen Dörfern“. Das kommt uns sicher spanisch vor! Wenn schon die böhmischen Dörfer bei uns als Sinnbild für etwas Unbekanntes gelten, so gilt das noch mehr für Mähren, dieses alte Kronland, das bis 1866 zum Deutschen Bund gehörte. Anlässlich einer Ausstellung „Mähren in alten Ansichten“ des Adalbert-Stifter-Vereines schrieb Johanna von Herzogenberg im Vorwort des Ausstellungskatalogs: „Mähren - was ist das? Mähren - wo ist das? Eine der ältesten mitteleuropäischen Kulturlandschaften, die bis in unsere Tage ihr Eigenleben, ihre Besonderheiten bewahrt hat, droht in Vergessenheit zu geraten.“
Es scheint tatsächlich so, als ob Mähren und seine Bewohner heute jenseits des Atlantischen Ozeans bekannter sind als bei uns, denn in den USA und in Südafrika, auf den Karibischen Inseln und in Mittelamerika gibt es noch immer jene evangelische Glaubensgemeinschaft, die sich im englischen Sprachraum „Moravian Church“, „iglesia morava“ im spanischsprachigen Mittelamerika nennt, eine kleine Gemeinschaft, die in 23 Ländern auf fünf Kontinenten die Lehre und Botschaft Christi verkündet und in Mähren ihren Ausgang nahm: Die Unitas Fratrum oder Brüderunität. 1972 feierte sie ihr 250­jähriges Bestehen, seit 1722 am 17. Juni ein einfacher mährischer Zimmermann namens Christian David den ersten Baum zur Anlage der Siedlung Herrnhut in Sachsen fällte, um hier für die aus Mähren geflüchteten und vertriebenen Protestanten eine neue Heimat auf den Gütern des Grafen Zinzendorf aufzubauen. Später würdigte der Graf diese Herrnhuter, die seit 1732 nach Grönland und in die Karibik, nach Nordamerika und Südafrika als Missionare zogen, mit den anerkennenden Worten: Gens aeterna, diese Mähren!
Was Viktor Aschenbrenner und Johanna von Herzogenberg vor Jahrzehnten schrieben, gilt auch heute, und zwar heute mehr als damals, trotz des Falls der eisernen Vorhangs und der Wiedervereinigung des seit der Konferenz von Jalte geteilten Europas. Auch ein Jahrzent nach der Aufnahme der tschechischen Republik in die Europäische Union. Das ist die Realität in Deutschland und Europa!

Ich kann auch konkret werden und Sie fragen: Wissen sie woher die Kamelienblüte ihren Namen hat? Oder auch die Kameliendame?
Ja, nach dem Brünner Georg Kamel, der als Jesuitenbruder in Manila die erste Apotheke auf den Philippinen gründete, einer der größten Naturforscher seiner Zeit war und mit englischen und holländischen Wissenschaftlern korrespondierte. Ihm zu Ehren nannte der schwedische Forscher Carl von Linné bei seier Einteilugn der Pflanzengattungen die Blüte "Camelia japonica". Kamel starb 1706 in Manila, weshalb es 2006 zu seinem 300. Todestag in Brünn Vorträge und Tagungen, eine Ausstellung und eine internationale wisschenschaftliche Konferenz gab.

Bleiben wir beim deutschen Brünn und seiner Umgebung, den deutschen Dörfern der Brünner Sprachinsel: Sie alle sind bereits oft geflogen. Wie misst man die Überschallgeschwindigkeit beim Fliegen? Diese Maßeinheit ist Mach, ebenfalls benannt nach einem Deutschen aus der Gegend von Brünn, dem Physiker, Wissenschaftstheoretiker, Psychologen und Philosophen Ernst Mach aus Chiritz bzw. Turas, dessen 175. Geburtstages wir im Vorjahr kaum gedachten. Er lehrte an der Universität in Graz, seit 1867 an der damals noch nicht geteilten Universität in Prag, wo er als Rektor die Teilung erlebte. Dann ging er nach Wien auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für „Philosophie, insbesondere Geschichte der indirekten Wissenschaften“. Außer der Mach-Zahl ist auch ein Mondkrater nach ihm benannt und die Tschechische Akademie der Wissenschaften vergibt heute eine Ernst-Mach- Medaille für Physik.

Ich wage zu behaupten, dass es in keiner Stadt oder einem Stadtkreis von der Größe wie Brünn, das erst im vorigen Jahrhundert eine Großstadt wurde, so viele Persönlichkeiten der Kultur gab wie in Brünn. Sie können stolz sein auf das von der Bruna herausgegebene Buch Brünner Köpfe. Lebensbilder bedeutender Frauen und Männer unserer Heimatstadt mit weit über 100 Artikel. Sie können aber mit Ihrem PC heute Abend nachprüfen, dass es noch weit mehr bedeutende Brünner Köpfe gibt, wenn Sie bei Wikipedia Brünn und die Liste der Persönlichkeiten der Stadt Brünn anklicken und weitere großen Personen finden, die in Brünn geboren sind oder in Brünn lebten und wirkten, angefangen von dem jüdischen Gelehrten Israel Bruna im 15. Jahrhundert und dem Baumeister und Bildhauer Anton Pilgram, dessen Werke wir in Wien im Stefansdom bewundern können. Da werden Staatsmänner und Fürsten genannt, aber auch eine Königin, Bischöfe und Freimaurer, Heereslieferanten und Botaniker, Maler und Lithographen, Politiker und Archäologen, Komponisten und Bankiers, Frauenrechtlerinnen und Professoren mit Wirkungsstätten nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt als Pädagogen, Mathematiker, Juristen Chemiker und viele andere Fachrichtungen. Es sind in der überwiegenden Mehrzahl deutsche Brünner oder muss ich sagen deutschsprachige Brünner?
Fast alle waren zweisprachig, und wenn Sie an die Juden in Brünn denken, so ist das Deutschtum dieser Brünner besonders evident.

Jubiläen sind immer eine Gelegenheit, an große Persönlichkeiten und Ereignisse zu erinnern.   Allein in diesem Jahr jähren sich diese Jahrestage: Der 250. Geburtstag des Komponisten Gottfried Rieger und der 200. Geburtstag des Violinvirtuosen Heinrich Wilhelm Ernst.
An weiteren Jahrestagen kann ich aufzählen: 150. Geburtstag des Schulmannes Franz Netopil und des Bühnenbildners Professor Alfred Roller und der 100. Todestag des Finanz- und Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Eugen von Bock-Bawerk.
Wenn wir nicht nur solcher „runden“ Tage gedenken, sondern auch anderer, so nenne ich für heuer noch:175. Geburtstag des Eisenbahndirektors Richard Jeitteles.
125. Geburtstag des Opern- und Kammersängers Alfred Jerger. 120. Geburtstags des Akademischen Malers Rudolf Leger und des Architekten und Stadtdirektors Prof. Emil Leo, dessen 40. Todestag auch in diesem Jahr ist. Er starb im nahen Aalen. Vor 100 Jahren ist auch der Komponist Rudolf Peterka geboren.

Heuer ist auch der 80. Todestag von Professor Viktor Kaplan, nach dem die Kaplan-Turbine benannt ist, und von Anton Hanak, dem großen Bildhauer, dessen Statuen wir sogar in Ankara bewundern können. 75 Jahre her ist es, dass der bekannte Jurist Professor Moritz Wlassak starb und 70 Jahre seit dem Tode der Brünner Dichterin Grete Bauer-Schwind. Sechs Jahrzehnte sind vergangen seit dem Tode des Schriftstellers Robert Mimra und 50 Jahre, seit der Akademische Maler Hans Friedrich Wacha starb. Die Todestage des Komponisten Fritz Mareczek und des Musikpädagogen Pro. Richard Wallisch jähren sich zum 40. Male.

Bei der Beschäftigung mit den kulturellen Leistungen der Vergangenheit stoßen wir immer wieder auf den hohen Anteil von Juden in den böhmischen Ländern, die Deutsche mosaischen Glaubens waren, nicht Nationaljuden. Ihr Anteil an der Prager Literatur ist bekannt, wenn auch nicht im ganzen Ausmaß. Aber wer kennt die jüdischen Autoren aus Brünn oder überhaupt aus Mähren? Als Beispiel führe ich die 2. Auflage des von Andreas B. Kilcher herausgegebenen Lexikons der deutsch-jüdischen Literatur an, auf dessen 576 Seiten wir Artikel über folgende Autoren finden: Fritz Beer (Brünn), Jakob Julius David (Mährisch Weißkirchen), Adolph Donath (Kremsier), Berthold Feiwel (Pohrlitz), Louis Fürnberg (Iglau), Oskar Jellinek (Brünn), Eduard Kulke (Nikolsburg), Alexander Roda (Drnowitz), Ernst Sommer (Iglau), Hugo Sonnenschein (Kyjov), Herman Ungar (Boskowitz), Ernst Weiss (Brünn), Ludwig Winder (Schaffa) und Max Zweig (Proßnitz).
Wie wenig erschöpfend und umfassend solche Standardwerke sind, sehen wir aus der erst im Jahre 2012 erschienenen alphabetischen Anthologie Freude ist Schmerz. Jüdische Wurzeln -

- deutsche Gedichte, die Herbert Schmidt mit Biographien und Bibliographien herausgab. Hier finden wir über Kilchers Lexikon hinaus noch die Autoren: Fritz Grünbaum (Brünn), Ernst Lothar (Brünn) und Oskar Neumann (Brünn).
Für das Deutschtum dieser Juden möchte ich nur die Aussage von Else Bergmann, der Frau des Gründers und Präsidenten der Hebräischen Universität in Jerusalem Hugo Bergmann, anführen, dass „an unserem Deutschtum kein Zweifel besteht“. Sie war die Tochter von Berta Fanta, in deren Prager Salon am Altstädter Ring Persönlichkeiten wie Max Brod und Franz Kafka aus- und eingingen, aber auch Albert Einstein während seiner Zeit als Professor in Prag. Auch das „Österreichische Reiterlied“ des bereits 1914 gefallenen jüdischen Offiziers Hugo Zuckermann aus Eger spricht dafür, das Franz Lehar vertonte. Apropos Lehar! Ihm wurde von Musikwissenschaftlern als bedeutendster und erfolgreicher Operettenkomponist der Mährer Leo Fall zur Seite gestellt, der durch Werke wie „Der fidele Bauer“, „Die Dollarprinzessin“, „Die Kaiserin“ oder „Die Rose von Stambul“ bekannt ist. Aber wer kennt den Vater Moritz Fall aus Holleschau und seine Werke, wer die musikalischen Werke von Leos Brüdern Siegfried und Richard, die beide Opfer des nationalsozialistischen Judenmordes wurden?

Brünn als Stadt mit einer deutschen Mehrheit assimilierte auch zahlreiche Fremde, die hierher kamen. Der Magistrat der Stadt gab 1999 eine Broschüre heraus: Die Italiener und Brünn, (Italove a Brüno), die Künstler und andere Zugewanderte aus Italien anführt. Ich müsste auch die meist deutschen Bischöfe in Brünn nennen, die ähnlich wie die deutschen Bürgermeister eine Ausstellung verdienten. In tschechischer Sprache liegt eine Arbeit vor über bekannte Professoren der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn.


Die Deutsche Technische Hochschule
Ich hatte schon betont, dass Brünn lange Zeit, auch ohne eine Universität einen großen Beitrag für die deutsche Kultur leistete. Aber es gab die Deutsche Technische Hochschule in Brünn. Das Rektorat war am Komenskyplatz 2, wo auch die Dekanate für Ingenieurbauwesen waren, für Vermessungsingenieurwesen, für Maschinenbau und für Elektrotechnik, während die Dekanate für Hochbau und Architektur, für technische Chemie und andere Abteilungen in der Jodokstraße ihren Sitz hatten. Die Hochschule hatte eigene Versuchsanstalten und zwar die Textiltechnologische und die Chemisch­technische Versuchsanstalt, die Versuchsanstalt für Bau- und Maschinenmaterialien, für Papierprüfung und die Elektrotechnische Versuchsanstalt. Außerdem gab es die vom Ministerium genehmigte „Mikrowar“, die Mikrotechnisch-warenkundliche Versuchsstation. Gebäude einzelner Institute gab es in der Talgasse (Chemisches Institut) in der Fischergasse und im Hohlweg.

Es gab den Verein „Deutsche Studentenschaft“ und Studentische Körperschaften, Brünner Burschenschaften wie die „Arminia“ und die „Libertas“, Akademische Burschenschaften und Corps wie „Moravia“, „Frankonia“ und andere, Deutsch-akademische Sängerschaften und Vereinigungen wie „Sudetia“ und „Zips“, eine Heimatverbindung Zipser Hochschüler in Brünn und auch nationale Verbände wie den Leseverein ungarischer Hochschüler „Corvinia“, einen Verein bulgarischer Studenten und den Akademischen Verein „Eesti“ für die Studenten aus Estland.
Ich möchte schließen mit einem Blick auf ein politisches und kulturelles Ereignis, ja eine Großtat aus Brünn aus dem Jahre 1905: den Mährischen Ausgleich. In einer Zeit der Nationalitätenkämpfe in Mitteleuropa, als Politiker wie Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg gingen, schuf der Mährische Landtag ein Lösungsmodell, für das Zusammenleben der Volksgruppen, das bis heute nicht erkannt und anerkannt ist, sonst gäbe es nicht in der Welt und leider auch in Europa Kämpfe, Auseinandersetzungen, ja Kriege zwischen Volksgruppen, Ethnien und Staaten. Denken wir nur an die Ereignisse vor 40 Jahren in Zypern, vor zwei Jahrzehnten in Kroatien und Bosnien und jetzt in der Ukraine, vom Nahen Osten ganz zu schweigen. Dem Mährischen Ausgleich gelang die Kombination von territorialer und personaler Autonomie auf eine Weise, die sogar das Modell der Schweiz übertraf. Warum?
Die Schweiz kennt nur die territoriale Autonomie: Die Eidgenossenschaft ist nur auf dem Papier ihrer Geldscheine viersprachig, die Kantone sind auf wenige Ausnahmen einsprachig, Mähren aber kannte die Personalautonomie, die aus dem Vorbild der Kirche entlehnt wurde und die in den Schulen mit der Muttersprache der Kinder die Grundlage legen konnte.

Der Mährische Ausgleich wurde 1910 in der Bukowina übernommen und es sollte 1914 auch einen Galizischen und Bosnischen Ausgleich geben. Aber da waren die „Schlafwandler“ schon so krankhaft oder verbissen somnambul, dass der Krieg nicht mehr aufzuhalten war. Es ist bis heute viel zu wenig bekannt, dass nach dem Ende der Donaumonarchie das Modell des Mährischen Ausgleichs nach 1920 das Zusammenleben der Bürger Estlands regelte, weil dort Deutsche, Russen und Schweden personale Autonomie und nationale Wahlkreise hatten. Auch in Südtirol sind Elemente des Brünner Ausgleichs übernommen worden, was aber in Zypern die dortigen Griechen als Mehrheit leider nicht wollten.

So hat Brünn nicht nur zur deutschen Kultur sondern auch zur europäischen Kultur und zum Frieden beigetragen. Ich hoffe, dass bald auch unser Brünn von der Europäischen Union den Titel einer Kulturhauptstadt Europa zugesprochen bekommt, den es längst ebenso oder noch mehr verdiente als Fünfkirchen und Marburg, Kaschau (1913) und im nächsten Jahr Pilsen.

Liebe Landsleute !
Seien Sie stolz auf Ihr Brünn, das für mich als Hauptstadt des Landes auch mein Brünn ist, und stolz auf die kulturellen Leistungen dieser Stadt. Deshalb schließe ich: Vivat Bruna! Ať žije Brno! Brünn Glückauf!  

Prof. Grulich begann seinen Vortrag mit dem Revolutionsjahr 1848.
Der für sein Thema relativ weit zurückreichende Beginn veranlaßte uns, diesen Rückblick dem Ende des Vortrages anzuhängen
.
Die Unruhen des Revolutionsjahres 1848 blieben nicht ohne Todesopfer, so auch in Frankfurt. Über die genaue Zahl gibt es unterschiedliche Angaben, denn es gab Nachrücker, auch für die Toten beim Frankfurter Aufstand, wo auch Fürst Lichnowsky umkam.
In der Frankfurter Paulskirche trat die Deutsche Nationalversammlung zusammen.

Es war ein "Mitteleuropäisches Parlament" mit Männern aus deutschen Ländern wie Liechtenstein, Luxemburg, Limburg in den Niederlanden, Krain, Welschtirol, der Untersteiermark und dem Küstenland bei Triest und Görz, also aus Gebieten, die heute längst Ausland sind und zu Holland, Dänemark, Polen, Slowenien, Italien und Kroatien gehören oder selbständig sind wie Liechtenstein und Luxemburg.

Für die Wahlkreise in und um Brünn waren das Vertreter aus Brünn, Pohrlitz, Tischnowitz oder aus Südmähren Znaim, Krommau, Auspitz und Hradisch und Dutzende von Abgeordnete aus Mittel- und Nordmähren und Sudetenschlesien. Ich nenne nur Christian Ritter d'Elvert und Karl Gieskra. Sie sind leider als Abgeordnete in der Paulskirche zu wenig bekannt und es wäre für mich eine Freude, könnte ich sie bei mehr Zeit würdigen, nicht nur als Bürgermeister von Brünn, sondern auch mit ihrer Arbeit in Ausschüssen und Kommissionen und der Zugehörigkeit zu den Fraktionen im Frankfurter Parlament.

Dieses Miteinander war möglich, weil Mähren und Brünn, die Hauptstadt, bis 1806 zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört hatten und nach dem „Wiener Kongreß" zum Deutschen Bund, diesem Zusammenschluß von 39 Staaten in Mitteleuropa von 35 Monarchien und vier Republiken. Die Monarchien reichten vom Kaisertum Österreich über die Königreiche Bayern, Hannover, Preußen, Sachsen und Württemberg bis zu Großherzogtümer und Fürstentümer. Die vier Republiken waren die drei Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck und die Freie Stadt Frankfurt am Main. Damals hatten sich Männer der Kultur nach Frankfurt wählen lassen, Dichter und Schriftsteller wie der Schwabe Ludwig Uhland oder aus Mähren und Böhmen Autoren wie der Dichter, Mediziner und Redakteur Andreas Ludwig Jeitteles aus Olmütz oder Moritz Hartmann aus Duschik. Dieser Deutsche Bund von 1815 bis 1866 hatte damals mehr Mitglieder als heute die EU, Er war anfangs weniger verbunden als die heutige Europäische Union, denken wir nur an die Zeiten vor dem Deutschen Zollverein.

Diese Vorüberlegungen sind nötig, um ermessen zu können, weshalb wir unser Thema so nennen konnten: Deutsche Kultur in Brünn. Heute ist die EU zwar geschlossener als der Deutsche Bund, der 1866 zerfiel, weil der Ministerpräsident eines Mitgliedslandes, Preußen, Krieg gegen die meisten Mitglieder führte, auch gegen Württemberg. Eine Konstellation, die wir uns heute in der EU nicht mehr vorstellen können! Aber auch in der EU hat sich vieles verändert: Mitgliederstaaten, die Millionen ihrer Mitbürger vertrieben und ethnisch gesäubert haben, wurden nicht zur Wiedergutmachung dieses Unrechts gezwungen, auch nicht die Tschechische Republik, die mit der Aufrechterhaltung der Benesch-Dekrete auch letztlich verhindert, dass unter die Vertreibung ihrer deutschen Mitbürger aus Mähren, die Opfer des Todesmarsches von Brünn und das fast vollständige Ende deutschen Kulturlebens in Mähren und seiner Hauptstadt ein echter Schlußstrich im Geiste ehrlicher Versöhnung gezogen werden kann.

 

Dies ist der Aufruf dieser Seite seit dem dem 01.02.2001.
© BRUNA e.V.